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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Teufel soll ich Sie anlügen? Herrgott noch mal, Shaftoe! Seit Ihr Scheißkerle Enigma geknackt habt und alles, was sich bewegt, mit Radar ausrüstet, ist praktisch jedes Unterseeboot versenkt worden, das in See gegangen ist! Warum sollte die Kriegsmarine tonnenweise Gold auf ein Schiff laden, von dem sie weiß, dass es zum Untergang verurteilt ist?«
    »Fragen Sie das doch die Kerle, die U-553 damit beladen haben.«
    »Ha! Da sieht man, was Sie für eine Scheiße reden!«, sagt Bischoff. »U-553 ist vor einem Jahr bei einem Angriff auf einen Geleitzug versenkt worden.«
    »Von wegen. Ich war erst vor ein paar Monaten an Bord«, sagt Shaftoe, »und zwar vor Qwghlm. Es war voller Gold.«
    »Quatsch«, sagt Bischoff. »Was war auf den Turm gemalt?«
    »Ein Eisbär mit einem Bierkrug in der Pfote.«
    Langes Schweigen. »Wollen Sie noch mehr wissen? Ich war in der Kapitänskajüte«, sagt Shaftoe, »und da war ein Foto von ihm mit ein paar anderen Burschen, und wenn ich so drüber nachdenke, hat einer davon ausgesehen wie Sie.«
    »Was haben wir gemacht?«
    »Ihr habt alle Badehosen angehabt. Und jeder hatte eine Hure auf dem Schoß!«, brüllt Shaftoe. »Falls das nicht eure Frauen waren – wenn ja, tut’s mir Leid, dass Ihre Frau eine Hure ist!«
    »Oh, ho ho ho ho ho!«, macht Bischoff. Er wälzt sich auf den Rücken, starrt, während er über das Gehörte nachdenkt, eine Zeit lang zu dem Röhrengewirr auf und fährt dann fort. »Ho ho ho ho ho ho ho!«
    »Was ist, hab ich gerade was Geheimes ausgeplaudert? Wenn ja, scheiß ich auf Sie und Ihre Mutter«, sagt Shaftoe.
    »Beck!«, schreit Bischoff. » Achtung!«
    »Was soll das?«, fragt Shaftoe.
    »Ich besorge Ihnen Ihr Morphium.«
    »Ach so. Danke.«
    Eine halbe Stunde später ist der Skipper da. Nach Offiziersmaßstäben ziemlich pünktlich. Er und Bischoff unterhalten sich eine Weile auf Deutsch. Shaftoe hört mehrmals das Wort Morphium. Schließlich lässt der Skipper den Sanitäter kommen, der Shaftoe die Nadel in den Arm sticht und etwa die Hälfte des Spritzeninhalts injiziert.
    »Haben Sie etwas zu sagen?«, fragt der Skipper Shaftoe. Scheint ein ganz netter Kerl zu sein. Jetzt kommen sie ihm eigentlich alle ziemlich nett vor.
    Als Erstes wendet sich Shaftoe an Bischoff. »Sir! Es tut mir Leid, dass ich mich Ihnen gegenüber unflätig ausgedrückt habe, Sir!«
    »Schon gut«, erwidert Bischoff, »sie war eine Hure, wie Sie gesagt haben.«
    Der Skipper räuspert sich ungeduldig.
    »Ja. Ich habe mich gerade gefragt«, sagt Shaftoe, an den Skipper gewandt, »ob Sie Gold auf diesem Unterseeboot haben.«
    »Das gelbe Metall?«
    »Ja. Barrenweise.«
    Der Kommandant ist noch immer verblüfft. Shaftoe empfindet allmählich eine gewisse boshafte Befriedigung. Offiziere zu verarschen ist zwar nicht so gut wie ein mit Opiaten von höchster Reinheit gesättigtes Gehirn, aber nicht zu verachten, wenn man knapp an Stoff ist. »Ich dachte, alle Unterseeboote hätten welches dabei«, sagt er.
    Beck entlässt den Sanitäter. Dann unterhalten sich er und Bischoff eine Zeit lang auf Deutsch über Shaftoe. Mitten in diesem Gespräch schockiert Beck sein Gegenüber mit irgendeiner Mitteilung. Bischoff ist fassungslos und weigert sich eine ganze Weile, es zu glauben, während Beck wiederholt versichert, es stimme. Dann verfällt Bischoff wieder in jene seltsamen Ho-ho-ho-Laute.
    »Er darf Ihnen keine Fragen stellen«, sagt Bischoff. »Befehl aus Berlin. Ho, ho! Aber ich schon.«
    »Schießen Sie los«, sagt Shaftoe.
    »Erzählen Sie uns mehr von dem Gold.«
    »Geben Sie mir mehr Morphium.«
    Beck lässt erneut den Sanitäter kommen, der Shaftoe den Rest der Spritze verabreicht. Shaftoe hat sich nie besser gefühlt. Was für ein prima Geschäft! Er erzählt den Deutschen deutsche Militärgeheimnisse und bekommt dafür Morphium von ihnen.
    Bischoff beginnt Shaftoe eingehend zu verhören, während Beck zusieht. Shaftoe erzählt ungefähr dreimal die ganze Geschichte von U- 553. Bischoff ist fasziniert, Beck macht ein trauriges und verängstigtes Gesicht.
    Als Shaftoe die in die Goldbarren eingeprägten chinesischen Schriftzeichen erwähnt, sind Beck und Bischoff völlig von den Socken. Ihre Gesichter erglühen, als würden sie in einer mondlosen Nacht vom Suchstrahl eines Leigh-Lichts erfasst. Beck beginnt zu schniefen, als hätte er sich erkältet, und Shaftoe begreift zu seiner Überraschung, dass der andere weint. Er weint vor Scham. Aber Bischoff ist noch immer fasziniert und

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