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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gerade, parallele Bahnen nordwärts, doch ein paar davon bewegen sich unaufhörlich in Schlangenlinien und Kurven: Das sind Zerstörer, die buchstäblich Kreise um die schwerfälligen Transporter ziehen und dabei Sonarimpulse aussenden. Diese Blechbüchsen werden den Geleitzug schützen; die Piloten der Flugzeuge, die U-691 zu finden versuchen, können daher anderswo suchen.
    Die starke Sonne wirft einen tiefen Schatten vor jedes Schiff; die Augen der Ausgucke, die mit auf Stecknadelkopfgröße verkleinerten Pupillen gegen das Gleißen des Meeres anblinzeln, können diesen Schatten ebenso wenig durchdringen, wie sie durch Sperrholz hindurchsehen könnten. Wenn sie es könnten, würden sie vielleicht bemerken, dass einer der großen Transporter in der vorderen Reihe ein seltsames Zusatzgerät hat: ein Rohr, das schräg vor seinem Bug senkrecht aus dem Wasser ragt. Eigentlich handelt es sich um ein Bündel von Rohren – eines, das Luft ansaugt, eines, das Dieselabgase ausspeit, ein drittes, das einen Informationsstrom in Form von prismatisch gebrochenem Licht befördert. Wenn man diesem Datenstrom ein paar Meter unter die Wasseroberfläche folgt, gelangt man in den Sehnerv eines gewissen Kapitänleutnant Günter Bischoff. Dieser Sehnerv wiederum führt zu seinem Gehirn, das höchst aktiv ist.
    Im Zeitalter des Sonar war Bischoffs Unterseeboot eine Ratte in einem dunklen, voll gestellten, unendlich großen Keller, die sich vor einem Mann versteckte, der weder Taschenlampe noch Laterne hatte: nur zwei Steine, aus denen ein Funke sprang, wenn man sie gegeneinander schlug. In jenen Tagen hat Bischoff eine Menge Schiffe versenkt.
    Eines Tages in der Karibik, als er gerade aufgetaucht fuhr, um Zeit gutzumachen, erschien aus dem Nichts eine Catalina. Sie kam aus einem klaren blauen Himmel, sodass Bischoff reichlich Zeit zum Tauchen hatte. Die Catalina warf ein paar Wasserbomben ab und verschwand wieder; sie musste an der Grenze ihrer Reichweite angelangt sein.
    Zwei Tage später zog eine Gewitterfront auf, der Himmel bewölkte sich stark und Bischoff machte den Fehler, sich zu entspannen. Eine andere Catalina fand ihn: Sie flog im Schutz der Wolken an, wartete, bis U-691 einen Streifen sonnenerleuchtetes Wasser durchfuhr, und ging dann in den Sturzflug über, wobei sie ihren eigenen Schatten auf die Brücke des Unterseeboots ausrichtete. Zum Glück hatte Bischoff zwei Ausgucke für den Sonnensektor postiert. Dieser Jargonausdruck umschrieb den Sachverhalt, dass jederzeit zwei stinkende, unrasierte, sonnenverbrannte Männer mit bloßem Oberkörper an Deck standen und sich mit hochgehaltenen Händen die Augen beschirmten. Einer dieser Männer sagte mit fragender Stimme etwas, was Bischoff alarmierte. Dann wurden beide Ausgucke von einer Rakete zerrissen. Fünf weitere von Bischoffs Leuten wurden durch Kanonenfeuer und Raketen verwundet, ehe er das Boot unter die Wasseroberfläche bringen konnte.
    Am nächsten Tag hatte die Gewitterfront den Himmel von Horizont zu Horizont mit niedrigen, blaugrauen Wolken überzogen. Weit und breit war kein Land in Sicht. Trotzdem befahl Bischoff seinem Leitenden Ingenieur Holz, das Boot zunächst nur bis auf Sehrohrtiefe aufsteigen zu lassen. Er suchte sorgfältig den Horizont ab. Nachdem er sich überzeugt hatte, dass sie vollkommen allein waren, gab er Befehl zum Auftauchen. Sie warfen die Dieselmotoren an und nahmen Ostkurs. Ihr Einsatz war beendet, ihr Boot beschädigt, es war Zeit, nach Hause zu fahren.
    Zwei Stunden später stieß ein Flugboot durch die Wolkenschicht herab und warf ein schlankes schwarzes Ei auf sie ab. Bischoff befand sich gerade auf der Brücke, genoss die frische Luft und besaß die Geistesgegenwart, etwas von Ausweichmanöver ins Sprechrohr zu brüllen. Metzger, der Steuermann, legte das Ruder sofort hart nach Steuerbord. Die Bombe plumpste genau an der Stelle ins Wasser, an der das Deck von U-691 gewesen wäre.
    In dieser Art ging es weiter, bis sie weit von jeglichem Land entfernt waren. Als sie es schließlich mit Müh und Not zu ihrem Stützpunkt in Lorient geschafft hatten, erzählte Bischoff seinen Vorgesetzten die ganze Geschichte in einem Ton von abergläubischer Ehrfurcht und sie eröffneten ihm schließlich, dass der Feind eine neue Erfindung mit Namen Radar besitze.
    Bischoff beschäftigte sich mit der Sache und las die Geheimdienstberichte: Mittlerweile rüsteten die Alliierten sogar Flugzeuge mit dem Kram aus! Man konnte damit das Sehrohr

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