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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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immer noch versucht, sich in sie hineinzubohren. Er überprüft seinen Kurs; der Zossen hat um volle neunzig Grad gedreht!
    »Sie haben uns gesehen«, sagt Bischoff. »Wir werden demnächst tauchen.« Doch ehe er die Fähigkeit einbüßt, das Sehrohr einzusetzen, nutzt er es für einen letzten Rundumblick, nur um sich zu bestätigen, dass sein geistiges Lagebild von dem Geleitzug stimmt. Das tut es mehr oder weniger. Sieh an, ein Zerstörer, genau da, wo er ihn vermutet hat. Er hält das Sehrohr ruhig und gibt die Zielwerte durch. Der Torpedomaat wiederholt die Zahlen, während er sie in den Torpedovorhaltrechner eingibt: die allerneueste, voll analoge Technik. Der Rechner müht sich durch einige Berechnungen und stellt die Gyroskope bei zwei Torpedos ein. Bischoff sagt: Feuer, Feuer, Tauchen. Das geschieht, und zwar fast genauso schnell. Der hämmernde Chor der Dieselmaschinen, der sie ein paar Tage lang unterschwellig wahnsinnig gemacht hat, weicht verblüffender Stille. Sie laufen jetzt auf Batterien.
    Batterien sind, wie das schon immer der Fall war und noch mindestens ein halbes Jahrhundert lang der Fall sein wird, das Hinterletzte. Der Geleitzug scheint vorwärts zu schießen, während die Geschwindigkeit von U-691 auf ein erbärmliches Zuckeln absinkt. Die Zerstörer können jetzt ungefähr fünfmal so schnell fahren wie das Unterseeboot. Diesen Teil der Geschichte hasst Bischoff.
    »Der Zerstörer fährt ein Ausweichmanöver«, sagt der Horcher.
    »Haben wir noch Zeit gehabt, den Wetterbericht zu kriegen?«, fragt Bischoff.
    »Heute Abend Aufzug einer Gewitterfront. Morgen schlechtes Wetter.«
    »Mal sehen, ob wir am Leben bleiben können, bis das Gewitter kommt«, sagt Bischoff. »Dann werden wir diesen Eimer voll Scheiße mitten durch den Ärmelkanal jagen, genau in Winston Churchills fetten Arsch, und wenn wir sterben, dann sterben wir wie Männer.«
    Ein schrecklicher Lärm pflanzt sich durchs Wasser fort und durchdringt den Rumpf. Die Männer jubeln gedämpft; sie haben gerade wieder ein Schiff versenkt. Hurra!
    »Ich glaube, das war der Zerstörer«, sagt der Horcher, als könne er ihr Glück kaum fassen.
    »Diese zielansteuernden Torpedos sind richtige Teufelsdinger«, sagt Bischoff, »wenn sie nicht gerade umdrehen und einen selbst ansteuern.«
    Ein Zerstörer versenkt, bleiben noch drei. Wenn sie noch einen versenken können, haben sie eine Chance, den restlichen beiden zu entwischen. Drei Zerstörern zu entkommen ist dagegen beinahe unmöglich.
    »Was du heute kannst besorgen«, sagt er. »Sehrohrtiefe! Mal sehen, was eigentlich los ist, solange die noch im Dreieck springen.«
    Es verhält sich folgendermaßen: Einer der Zerstörer geht gerade unter und ein zweiter eilt ihm zu Hilfe. Die anderen beiden laufen auf die Stelle zu, wo sich U-691 vor ungefähr dreißig Sekunden befunden hat, werden aber dadurch behindert, dass sie sich mitten durch den Geleitzug fädeln müssen. Sie beginnen praktisch sofort, ihre Geschütze abzufeuern. Bischoff schießt einen Torpedofächer auf den Hilfe leistenden Zerstörer ab. Überall um sie herum spritzen nun Wasserfontänen hoch, während die anderen beiden sie mit Granaten eindecken. Erneut lässt Bischoff das Sehrohr um dreihundertsechzig Grad herumwandern und fixiert das Bild des Geleitzuges vor seinem geistigen Auge.
    »Tauchen!«, sagt er.
    Dann hat er eine bessere Idee. »Kommando zurück! Auftauchen und auf Flankiergeschwindigkeit gehen.«
    Jede andere Unterseebootmannschaft würde ihm in diesem Moment die Kehle durchschneiden und sich dann ergeben. Aber diese Burschen zögern nicht einmal; entweder sie lieben ihn wirklich oder sie sind alle zu dem Schluss gekommen, dass sie ohnehin sterben werden.
    Es folgen zwanzig Sekunden reines Grauen. U-691 rauscht in Schräglage wie eine Messerschmitt über die Wasseroberfläche, während überall um sie herum Granaten einschlagen. Die aus den Luken quellenden Seeleute wirken in der strahlenden Sonne wie die Insassen eines Gefangenenlagers, während sie auf dem hierhin und dahin kippenden Deck Halt suchen und schleunigst die Karabinerhaken ihrer Sicherheitsleinen an Kabel haken, ehe die Wasserfontänen der explodierenden Granaten sie aus den Schuhen pusten. Sie bemannen die Geschütze.
    Dann liegt ein großes Transportschiff zwischen ihnen und den beiden Zerstörern. Jetzt sind sie einen Moment lang sicher. Bischoff steht oben auf dem Turm. Er wendet sich nach achtern und besieht sich den anderen Zerstörer, der

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