Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
ausmachen!
    Sein Unterseeboot ist nicht länger eine Ratte in einem dunklen Keller. Nun ist es eine flügellose Pferdebremse, die sich im strahlenden Licht der Nachmittagssonne über eine makellos weiße Tischdecke schleppt.
    Dönitz versucht immerhin, neue Unterseeboote zu bauen, die ständig getaucht bleiben können. Aber er muss um jede Tonne Stahl und um die Dienste jedes Ingenieurs betteln. In der Zwischenzeit gibt es eine Überbrückungsmaßnahme, den Schnorchel, der bloß Klempnerhandwerk ist: ein Rohr, das aus dem Wasser ragt und es einem ermöglicht, knapp unter der Wasseroberfläche mit Dieselmotoren zu fahren. Selbst der Schnorchel ist auf dem Radarschirm auszumachen, allerdings weniger deutlich. Jedes Mal, wenn U-691 für mehr als eine Stunde auftaucht, ist Holz an Deck und arbeitet an dem Schnorchel, schweißt neue Teile an, montiert alte Teile ab oder umkleidet ihn mit Gummi oder irgendeinem anderen Zeug, von dem er hofft, dass es das Radar absorbiert. Die Techniker, die den Schnorchel vor sechs Monaten in Lorient eingebaut haben, würden ihn mittlerweile nicht mehr wiedererkennen, denn er hat sich weiterentwickelt, wie eine Spitzmaus zum Tiger. Falls Bischoff es fertig bringt, U-691 in einen sicheren Hafen zurückzubringen, können andere von Holz’ Neuerungen lernen und die wenigen Unterseeboote, die noch nicht versenkt worden sind, können von dem Experiment profitieren.
    Er reißt sich zusammen. So bringen Offiziere sich selbst und ihre Männer um: Sie verbringen mehr Zeit damit, auf die Vergangenheit zurückzublicken, als für die Zukunft zu planen. Für Bischoff ist es reine Selbstbefriedigung, über das alles nachzudenken. Er muss sich konzentrieren.
    Er muss sich keine allzu großen Sorgen darüber machen, von Deutschen versenkt zu werden. Sobald er Dönitz den Funkspruch mit der Drohung, die Information über das Gold zu senden, geschickt hatte, zog dieser seinen allgemeinen Befehl, U-691 zu versenken, zurück. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass irgendein Schiff den ersten Befehl erhalten, aber den zweiten nicht mitbekommen hat, er muss also weiter auf sich aufpassen.
    Kunststück. Es ist sowieso kaum noch eine deutsche Kriegsmarine übrig, die ihn versenken könnte. Er kann sich stattdessen Sorgen darüber machen, dass er von den Alliierten versenkt wird. Sie werden äußerst gereizt sein, wenn sie dahinter kommen, dass er diesen Geleitzug seit nunmehr zwei Tagen beschattet. Bischoff ist selbst ziemlich gereizt; es ist ein schneller Geleitzug, der sich durch Zickzackfahren schützt, und wenn U-691 nicht in vollkommenem Gleichlauf mit dem Schiff über sich Zickzack fährt, wird es entweder davon zerquetscht oder es gerät aus dessen Schatten und wird bemerkt. Das hat Skipper und Mannschaft einer ziemlichen Belastung ausgesetzt und schwer an den Benzedrinbeständen des Bootes gezehrt. Aber sie haben fünfhundert Meilen zurückgelegt! Bald wird der fatale Golf von Biscaya hinter ihnen und die Bretagne an Steuerbord liegen, und dann hat Bischoff die Wahl: nach rechts in den Ärmelkanal einbiegen, was Selbstmord wäre; Richtung Norden zwischen Britannien und Irland hindurchfahren, was Selbstmord wäre; oder im Westen Irland umfahren, was Selbstmord wäre.
    Es gibt natürlich auch noch Frankreich, das Freundesland ist, aber dem Lockruf dieser Sirene muss man entschieden widerstehen. Das Unterseeboot einfach irgendwo an einem gottverlassenen Strand auf Grund zu setzen reicht Bischoff nicht; er will das Ding zu einem richtigen Stützpunkt zurückbringen. Aber die Himmel über richtigen Stützpunkten wimmeln von Catalinas, die mit dem satanischen Licht ihres Radars das Meer erleuchten. Es ist viel gescheiter, sie glauben zu machen, er sei unterwegs nach Frankreich, und dann stattdessen einen deutschen Hafen anzulaufen.
    Jedenfalls kam es ihm vor zwei Tagen so vor. Jetzt belasten ihn die Unwägbarkeiten des Plans.
    Der Schatten des Schiffes über ihnen wirkt plötzlich viel länger und tiefer. Das bedeutet entweder, dass die Erdumdrehung sich plötzlich ungeheuer beschleunigt und so den Sonnenstand verändert hat oder dass das Schiff auf sie zugeschwenkt ist. »Hart nach Steuerbord«, sagt Bischoff ruhig. Seine Stimme gelangt durch ein Rohr zu dem Mann am Ruder. »Irgendetwas über Funk?«
    »Nichts«, sagt der Funkmaat. Das ist eigenartig; wenn die Schiffe Zickzackkurs fahren, koordinieren sie das normalerweise über Funk. Bischoff schwenkt das Sehrohr und beguckt sich den Transporter, der

Weitere Kostenlose Bücher