Cryptonomicon
wilde Spiralen fährt, um die zielsuchenden Torpedos abzuschütteln.
Als sie hinter dem Schutz des großen Transporters hervorkommen, sieht Bischoff, dass sein geistiges Lagebild von dem Geleitzug mehr oder weniger zutrifft. Er gibt weitere Befehle an Ruder- und Maschinenraum. Ehe die beiden angreifenden Zerstörer die Chance haben, mit ihren Geschützen erneut das Feuer zu eröffnen, hat Bischoff sich zwischen sie und einen Truppentransporter geschoben: einen altersschwachen, hastig mit einer Schicht Tarnfarbe überpinselten Ozeandampfer. Jetzt können sie nicht mehr auf ihn schießen, ohne Hunderte ihrer eigenen Leute hochgehen zu lassen. Aber er kann auf sie schießen. Als Bischoffs Leute den Dampfer über sich sehen und übers Wasser auf die ohnmächtigen Zerstörer schauen, stimmen sie tatsächlich ein Lied an: irgendein Bierzelt-Gegröle, mit dem sie sich selbst beglückwünschen.
U-691 ist wegen der Bedrohung aus der Luft bis an die Zähne bewaffnet und daher ziemlich kopflastig. Bischoffs Mannschaft eröffnet mit sämtlichem kleinen und mittelgroßen Kram das Feuer auf die Zerstörer, um der Bedienungsmannschaft der Deckskanone Gelegenheit zur Zielauffassung zu geben. Auf diese Entfernung besteht die Gefahr, dass die Granate den Rumpf des Zerstörers komplett durchschlägt und, ohne zu detonieren, auf der anderen Seite wieder herauskommt. Man muss Geduld haben, sich Zeit lassen, auf die Maschinen zielen. Bischoffs Mannschaft weiß das.
Ein Schädel spaltendes Krachen ertönt aus dem Rohr der Deckskanone; die Granate schnellt übers Wasser, trifft den näheren der beiden Zerstörer genau in die Kessel. Der Zerstörer explodiert nicht, bleibt jedoch abrupt stehen. Sie feuern noch ein paar Schüsse auf den anderen Zerstörer ab und setzen eines seiner Geschütze und einen seiner Wasserbombenwerfer außer Gefecht. Dann sehen die Ausgucke Flugzeuge auf sie zukommen und es wird Zeit zu tauchen. Zuvor schaut sich Bischoff ein letztes Mal mit dem Sehrohr um und sieht zu seiner Überraschung, dass der Zerstörer, der den Torpedos auszuweichen versuchte, es tatsächlich geschafft hat; offensichtlich haben zwei davon einen Bogen gemacht und stattdessen Transportschiffe getroffen.
Sie gehen geradewegs auf hundertsechzig Meter Tiefe. Acht Stunden lang werfen Zerstörer Wasserbomben auf sie ab. Bischoff macht ein Nickerchen. Als er aufwacht, dröhnt das Wasser um sie herum von Wasserbomben und alles ist in bester Ordnung. Oben müsste es mittlerweile dunkel und stürmisch sein: schlechtes Wetter für Catalinas. Er weicht den Zerstörern aus, indem er (kurz gesagt) raffinierte Sachen macht, die er auf die harte Tour gelernt hat. Das Unterseeboot ist so dünn wie eine Stricknadel, und wenn man es direkt auf den Ausgangspunkt eines Sonarimpulses zu- oder davon wegdreht, ergibt sich fast keine Reflexion. Alles, was man dazu braucht, ist ein klares geistiges Lagebild von der eigenen Position im Hinblick auf die Zerstörer.
Ungefähr eine Stunde später geben die Zerstörer auf und fahren weg. Bischoff geht mit U-691 auf Schnorcheltiefe und nimmt, wie angekündigt, Kurs mitten durch den Ärmelkanal. Außerdem benutzt er das Sehrohr, um sich zu bestätigen, dass das Wetter, ebenfalls wie angekündigt, schauderhaft ist.
Die Schweine haben eine dicke, fette rote Nadel auf der Karte, die seine letzte, von den Zerstörern gemeldete Position angibt. Um diese Nadel herum werden sie im Verlauf der nächsten Stunden Kreise von ständig zunehmendem Durchmesser ziehen, sich ausweitende Rundzonen, die die Gesamtheit aller Punkte im Ozean umfassen, an denen sich U-691, ausgehend von bestimmten Annahmen über dessen Geschwindigkeit, irgend befinden könnte. Dabei nimmt die abzusuchende Fläche in geometrischer Progression zur Erhöhung des Radius zu.
Den Ärmelkanal in getauchtem Zustand zu durchfahren wird nicht funktionieren – sie würden gegen eines der Blockierschiffe fahren, das die Briten dort versenkt haben, um Unterseeboote daran zu hindern, ebendas zu tun. Es geht nur an der Oberfläche, und so geht es auch erheblich schneller. Damit stellt sich das Problem der Flugzeuge. Flugzeuge suchen nicht nach dem Boot selbst, das winzig und dunkel ist, sondern nach seinem Kielwasser, das weiß ist und sich bei ruhiger See meilenweit ausbreitet. Heute Nacht wird es hinter U-691 kein Kielwasser geben – d. h. geben wird es schon welches, aber es wird im Zufallsrauschen einer viel höheren Amplitude untergehen. Bischoff kommt zu dem
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