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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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untergegangen ist. Zweitens würde man sagen, dass ein solches Boot nicht mit Gold beladen worden sein kann. Aber ich glaube, dass du es gesehen hast.«
    »Und?«
    Bischoff wirft einen Blick auf den Brief von Dönitz und sieht dabei leicht seekrank aus. »Zuerst muss ich dir etwas von der Wehrmacht erzählen, wofür ich mich schäme.«
    »Was? Dass sie in Polen und Frankreich einmarschiert ist?«
    »Nein.«
    »Dass sie in Russland und Norwegen einmarschiert ist?«
    »Nein, nicht das.«
    »Dass sie England bombardiert hat und -«
    »Nein, nein, nein«, sagt Bischoff, der Inbegriff der Nachsicht. »Etwas, wovon du noch nichts weißt.«
    »Und zwar?«
    »Wie es scheint, hat der Führer, während ich im Atlantik herumgeschlichen bin und meine Pflicht getan habe, ein kleines Motivationsprogramm entwickelt.«
    »Was heißt das?«
    »Offenbar sind Pflichtgefühl und Loyalität für gewisse hochrangige Offiziere nicht genug. Offenbar führen sie ihre Befehle nicht bestmöglich aus, sofern sie nicht... besondere Auszeichnungen erhalten.«
    »Du meinst, so was wie Orden?«
    Bischoff lächelt nervös. »Einige Generale an der Ostfront haben Landgüter in Russland bekommen. Sehr, sehr große Landgüter.«
    »Aha.«
    »Aber nicht jeder lässt sich mit Land bestechen. Manche Leute verlangen eine flüssigere Form der Entschädigung.«
    »Alkohol?«
    »Nein, ich meine flüssig im finanziellen Sinn. Etwas, das man bei sich tragen kann und das in jedem Puff auf der ganzen Welt akzeptiert wird.«
    »Gold«, sagt Shaftoe leise.
    »Gold würde reichen«, sagt Bischoff. Er hat Shaftoe schon lange nicht mehr in die Augen gesehen. Er starrt stattdessen zum Fenster hinaus. Seine grünen Augen könnten ein wenig feucht sein. Er holt tieft Atem, blinzelt und hält, als er fortfährt, die bittere Ironie im Zaum. »Seit Stalingrad ist es an der Ostfront nicht gut gelaufen. Sagen wir mal so: Ukrainische Immobilien sind nicht mehr so viel wert wie früher, wenn die Übertragungsurkunde zufällig auf Deutsch geschrieben und in Berlin ausgestellt worden ist.«
    »Es wird schwieriger, einen General zu bestechen, indem man ihm einen Brocken russisches Land verspricht«, übersetzt Shaftoe. »Also braucht Hitler eine Menge Gold.«
    »Ja. Und die Japaner haben massenhaft Gold – denk daran, dass sie China ausgeplündert haben. Und viele andere Länder. Aber es fehlt ihnen an bestimmten Dingen. Sie brauchen Wolframit. Quecksilber. Uran.«
    »Was ist Uran?«
    »Was weiß denn ich? Die Japaner wollen es, wir liefern es. Wir liefern ihnen auch Technologie – Pläne für neue Turbinen. Enigma-Maschinen.« An dieser Stelle bricht Bischoff ab und lacht lange Zeit gequält und dunkel. Dann gewinnt er die Fassung wieder und fährt fort: »Also haben wir ihnen diese Sachen geschickt, und zwar in Unterseebooten.«
    »Und die Nips bezahlen euch in Gold.«
    »Ja. Es ist eine unter der Oberfläche des Ozeans verborgene Schattenökonomie, bei der über riesige Entfernungen mit kleinen, aber wertvollen Gütern gehandelt wird. Du hast sie flüchtig zu Gesicht bekommen.«
    »Du hast gewusst, dass es sie gibt, aber von U-553 hast du nicht gewusst«, hebt Shaftoe hervor.
    »Ach, Bobby, im Dritten Reich gehen viele, viele Dinge vor sich, von denen ein kleiner Unterseeboot-Kapitän nichts weiß. Du bist Soldat, du weißt, dass es so ist.«
    »Ja«, sagt Shaftoe, der sich der Besonderheiten von Abteilung 2702 entsinnt. Er blickt auf den Brief. »Wieso erzählt dir Dönitz das alles auf einmal?«
    »Er erzählt mir überhaupt nichts«, sagt Bischoff vorwurfsvoll. »Ich bin selbst draufgekommen.« Er kaut eine Zeit lang auf seiner Unterlippe. »Dönitz macht mir einen Vorschlag.«
    »Ich dachte, du wärst im Ruhestand?«
    Bischoff denkt über den Einwand nach. »Ich bringe keine Leute mehr um. Aber neulich habe ich eine kleine Schaluppe durch die Bucht gesegelt.«
    »Und?«
    »Und deshalb fahre ich doch eigentlich noch immer auf Schiffen zur See.« Bischoff seufzt tief. »Leider gehören sämtliche wirklich interessanten Schiffe den Regierungen großer Länder.«
    Bischoff wird ein wenig sonderbar, deshalb entscheidet sich Shaftoe für einen kleinen Themenwechsel. »Hey, wo wir gerade von wirklich interessanten Dingen reden...« Und er erzählt die Geschichte der Himmelserscheinung, die er auf dem Weg hierher gesehen hat.
    Bischoff ist von der Geschichte begeistert, denn sie belebt die Gier nach Aufregung wieder, die er seit seiner Ankunft in Norrsbruck in Salz und Alkohol

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