Cryptonomicon
wissen lassen, dass ich, der ehemalige Sergeant Robert Shaftoe, und mein Freund, der ehemalige Kapitänleutnant Günter Bischoff, Ihnen nichts tun wollen.«
Julieta orientiert sich am Geräusch seiner Stimme und antwortet mit einem Feuerstoß, der dreißig Zentimeter über Bobby Shaftoes Kopf hinweggeht. »Gehörst du nicht nach Manila?«, fragt sie.
Shaftoe stöhnt und wälzt sich auf den Rücken, als hätte er einen Bauchschuss bekommen.
»Was meint sie damit?«, fragt Günter Bischoff verwirrt.Weil er sieht, dass sein Freund (emotional) außer Gefecht gesetzt worden ist, probiert er es selbst: »Wir sind hier in Schweden, einem friedlichen und neutralen Land! Warum schießen Sie auf uns?«
»Gehen Sie weg!« Julieta muss mit Otto zusammen sein, denn sie hören sie mit ihm reden, ehe sie sagt: »Wir wollen hier keine Angehörigen der amerikanischen Marines und der Wehrmacht. Sie sind hier unerwünscht.«
»Hört sich an, als sägt ihr an etwas herum, was verdammt schwer ist«, entgegnet Shaftoe schließlich. »Wie wollt ihr das eigentlich aus dem Wald hier rauskriegen?«
Das führt zu einem lebhaften Gespräch zwischen Julieta und Otto. »Ihr könnt näher kommen«, sagt Julieta schließlich.
Sie finden die Kivistiks, Julieta und Otto, im Lichtkreis einer Laterne um den abgetrennten, verkohlten Flügel eines Flugzeuges. Die meisten Finnen sind kaum von Schweden zu unterscheiden, doch Otto und Julieta haben beide schwarzes Haar und schwarze Augen und könnten leicht als Türken durchgehen. Auf der Spitze des Flugzeugflügels prangt das schwarzweiße Kreuz der Deutschen Luftwaffe. An dem Flügel ist ein Motor befestigt. Allerdings nicht mehr sehr lange, wenn es nach Otto und seiner Metallsäge geht. Der Motor hat kürzlich gebrannt und ist dann dazu benutzt worden, eine große Menge Kiefern umzumähen. Aber Shaftoe kann trotzdem noch erkennen, dass er so einen Motor noch nie gesehen hat. Es gibt keinen Propeller, sondern eine Vielzahl kleiner Ventilatorblätter.
»Es sieht wie eine Turbine aus«, sagt Bischoff, »aber eher für Luft als für Wasser.«
Otto richtet sich auf, drückt sich theatralisch die Hände ins Kreuz und übergibt die Metallsäge an Shaftoe. Dann reicht er ihm der Vollständigkeit halber noch ein Fläschchen Benzedrin-Tabletten. Shaftoe schluckt ein paar Tabletten, zieht sein Hemd aus, sodass seine hervorragend ausgebildete Muskulatur zum Vorschein kommt, vollführt ein paar vom USMC empfohlene Dehnübungen und macht sich an die Arbeit. Nach ein paar Minuten blickt er nonchalant zu Julieta auf, die ihm, die Maschinenpistole im Arm, mit einem Blick zusieht, der zugleich frostig und glühend ist, wie Alaska bei Affenhitze. Bischoff steht daneben und erfreut sich daran.
Die Morgendämmerung klatscht schon ihre aufgesprungenen und geröteten Finger gegen den erfrorenen Himmel, um den Kreislauf wieder in Gang zu bringen, als die Überreste der Turbine schließlich von dem Flügel abfallen. Von Benzedrin aufgepulvert, hat Shaftoe sechs Stunden lang mit der Metallsäge gearbeitet. Otto hat ihn mehrmals unterbrochen, um das Sägeblatt auszuwechseln, aus seiner Sicht eine größere Investition. Als Nächstes bringen sie den halben Vormittag damit zu, den Motor durch den Wald und ein Bachbett hinunter zum Meer zu schleppen, wo Ottos Boot wartet, und Otto und Julieta transportieren ihre Beute ab. Bobby Shaftoe und Günter Bischoff stapfen zum Ort des Wracks zurück. Sie haben noch nicht offen darüber gesprochen – das wäre unnötig -, aber sie haben vor, den Teil des Flugzeugs zu finden, der die Leiche des Piloten enthält, und dafür zu sorgen, dass er anständig begraben wird.
»Was ist in Manila, Bobby?«, fragt Bischoff.
»Etwas, was ich dank des Morphiums vergessen hatte«, antwortet Shaftoe, »und was mir Enoch Root, dieser Scheißkerl, wieder ins Gedächtnis zurückgerufen hat.«
Keine fünfzehn Minuten später kommen sie zu der Schneise, die das abstürzende Flugzeug in den Wald gerissen hat, und hören das Klagen und Schluchzen eines Mannes, der vor Kummer offenbar völlig außer sich ist. » Angelo! Angelo! Angelo! Mein Liebster!«
Sie können den Mann, der da so weint, nicht sehen, aber sie sehen Enoch Root herumstehen und brüten. Er blickt wachsam auf, als sie näher kommen, und zieht eine halbautomatische Pistole aus seiner Lederjacke. Dann erkennt er sie und entspannt sich.
»Scheiße, was geht denn hier vor?«, fragt Shaftoe, der bekanntlich nicht gern um den heißen Brei
Weitere Kostenlose Bücher