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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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zu fahren) wäre, wenn er es heute zum ersten Mal täte, eine der eher denkwürdigen Erfahrungen in seinem Leben; da es aber das millionste Mal ist, fällt ihm nichts Besonderes auf. So sieht er zwei Autos, die unmittelbar unter einem riesigen Straßenschild mit der Aufschrift KEIN SPURWECHSEL zusammengekracht sind, nimmt sie aber gar nicht richtig wahr.
    Lieber Randy, das Schlimmste ist vorbei. Charlene und (was noch wichtiger ist) ihr Anwalt scheinen endlich akzeptiert zu haben, dass du auf den Philippinen nicht auf einem riesigen Goldhaufen sitzt! Jetzt, wo deine imaginären Millionen das Bild nicht mehr stören, können wir auseinander klamüsern, wie wir mit deinem tatsächlichen Vermögen verfahren, vor allem mit deinem Anteil am reinen Wert des Hauses. Das wäre viel komplizierter, wenn Charlene weiterhin dort wohnen wollte; wie es scheint, hat sie aber den Yale-Job bekommen, was bedeutet, dass sie ebenso großes Interesse an der Liquidierung des Hauses hat wie du. Die Frage wird nun sein, wie der Verkaufserlös zwischen dir und ihr aufgeteilt werden sollte. Sie scheinen (wie nicht anders zu erwarten) auf dem Standpunkt zu stehen, dass die gewaltige Wertsteigerung des Hauses seit dem Kauf eine Folge der Entwicklung auf dem Immobilienmarkt ist – wen kümmert es schon, dass du eine Viertelmillion für die Abstützung des Fundaments, das Austauschen der Leitungen, usw. usw. hineingesteckt hast.
    Ich nehme an, dass du sämtliche Quittungen, Abbuchungen und andere Belege, aus denen die Höhe deiner Ausgaben für Reparatur- und Verschönerungsarbeiten hervorgeht, aufgehoben hast, denn das entspricht ganz deinem Naturell. Es wäre mir eine große Hilfe, wenn ich sie bei meiner nächsten Verhandlungsrunde mit Charlenes Anwalt hervorzaubern und damit herumwedeln könnte. Kannst du sie beibringen? Mir ist klar, dass das für dich einen ziemlichen Aufwand bedeutet. Andererseits hast du den größten Teil deines Reinvermögens in dieses Haus gesteckt und es steht viel auf dem Spiel.
    Randy steckt das Blatt wieder in seine Brusttasche und fängt an, eine Reise nach Kalifornien zu planen.
    Die meisten Anhänger des Gesellschaftstanzes in dieser Stadt gehören der sozialen Schicht an, die sich Autos und Chauffeure leisten kann. Die Autos stehen in einer langen Schlange die ganze Hoteleinfahrt entlang bis hinaus auf die Straße und warten darauf, dass ihre Fahrgäste, deren helle Kleider sogar durch getönte Scheiben zu erkennen sind, aussteigen können. Hoteldiener blasen in ihre Trillerpfeifen, winken mit ihren weißen Handschuhen und lotsen die Autos auf den Parkplatz, wo sie in ein dicht gedrängtes Mosaik eingepasst werden. Manche der Fahrer steigen nicht einmal aus, sondern kurbeln ihre Sitze für ein Nickerchen nach hinten. Andere sammeln sich an einem Ende des Parkplatzes unter einem Baum, um zu rauchen, Witze zu machen und auf benommene Art belustigt den Kopf über die Welt zu schütteln, wie es nur die abgebrühten, vom Zukunftsschock heimgesuchten Menschen in der Dritten Welt tun können.
    Da er vor dem, was auf ihn zukommt, so große Angst gehabt hat, sollte man annehmen, Randy würde sich jetzt zurücklehnen und die Verzögerung genießen. Doch wie das Abreißen eines Pflasters von einem behaarten Körperteil ist das eine Sache, die man am besten umgehend hinter sich bringt. Als sie am Ende der Limousinenschlange anhalten, steckt er seinem erstaunten Fahrer Geld zu, macht die Wagentür auf und geht das letzte Stück zum Hotel zu Fuß. Er spürt die Blicke der fein gekleideten und parfümierten Filipinas, die wie Laservisiere an den Gewehren eines Kommandotrupps über seinen kräftigen Rücken fahren.
    Seit Randy das Hotel kennt, sind wie zum Schülerball gekleidete alternde Filipinas in seiner Eingangshalle ein- und ausgegangen.Während der ersten Monate, als er sogar dort wohnte, hat er sie kaum bemerkt. Als sie zum ersten Mal auftauchten, nahm er an, im großen Ballsaal fände irgendeine Veranstaltung statt: vielleicht eine Hochzeit, vielleicht auch ein Treffen, bei dem es um eine Sammelklage alternder ehemaliger Teilnehmerinnen an Schönheitswettbewerben gegen die Kunstfaserindustrie ging. So weit kam er ungefähr, ehe er damit aufhörte, unbedingt alles herausfinden zu müssen und so seine mentalen Schaltkreise durchschmoren zu lassen. Für alles Sonderbare, was man auf den Philippinen sieht, eine Erklärung finden zu wollen, kommt dem Versuch gleich, das letzte bisschen Regenwasser aus einem

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