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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ausweichen. Er steht auf und reicht ihr, die zugleich Furcht und Hoffnung in ihm auslöst, die Hand, und sie streckt ihre, ohne hinzuschauen, aus und legt sie hinein.
    Randy lässt die Füße schleifen, was kein schöner Tanzstil ist, aber immerhin ausschließt, dass er den Mittelfuß seiner Partnerin malträtiert. Amy beherrscht das Ganze im Grunde nicht besser als er, macht aber eine bessere Figur dabei. Am Ende des ersten Tanzes hat Randy einen Punkt erreicht, an dem sein Gesicht nicht mehr brennt und er ungefähr dreißig Sekunden übersteht, ohne sich für irgendetwas entschuldigen zu müssen, und sechzig, ohne seine Partnerin zu fragen, ob sie wohl ärztliche Behandlung brauchen wird. Dann ist das Stück zu Ende, und die Umstände wollen es, dass er danach mit Aurora Taal tanzt. Das macht ihm weniger Angst, obwohl sie bezaubernd und eine wirklich gute Tänzerin ist; ihre Beziehung ist aber nicht so, dass sie die Möglichkeit grotesken vorerotischen Gefummels zulässt. Außerdem lächelt Aurora viel und sie hat ein wirklich spektakuläres Lächeln, wo Amys Gesicht angespannt und besorgt aussah. Beim nächsten Tanz ist Damenwahl angesagt und Randy versucht immer noch, Blickkontakt mit Amy herzustellen, als er neben sich eine kleine Filipina mittleren Alters bemerkt, die Aurora fragt, ob es ihr schrecklich viel ausmachen würde. Aurora übergibt ihn an die andere Dame wie einen Vertrag über Schweinebauch-Termingeschäfte an der Warenbörse und plötzlich tanzen Randy und die Dame zu den Klängen eines Bee-Gees-Songs aus der Vor-Disco-Zeit den Texas-Twostep.
    »Sind Sie denn nun auf den Philippinen schon zu Reichtum gelangt?«, fragt die Dame, deren Namen Randy nicht richtig verstanden hat. Ihrem Verhalten nach zu urteilen, erwartet sie, dass er sie kennt.
    »Äh, meine Partner und ich sind dabei, die geschäftlichen Möglichkeiten zu eruieren«, antwortet Randy. »Vielleicht wird der Reichtum folgen.«
    »Wie ich höre, kennen Sie sich mit Zahlen aus«, sagt die Dame.
    Randy zermartert sich jetzt regelrecht das Hirn. Woher weiß diese Frau, dass er so etwas wie ein Zahlenfreak ist? »Ich kenne mich in Mathematik aus«, sagt er schließlich.
    »Habe ich das nicht gesagt?«
    »Nein, Mathematiker halten sich nämlich von echten Zahlen so gut es geht fern. Wir reden gerne über Zahlen, ohne uns direkt mit ihnen zu konfrontieren – dazu sind ja Computer da.«
    Die Dame lässt nicht locker; sie hat ein Drehbuch und daran hält sie sich. »Ich habe ein mathematisches Rätsel für Sie«, sagt die Dame.
    »Schießen Sie los.«
    »Was ist der Wert der folgenden Information: fünfzehn Grad, siebzehn Minuten, einundvierzig Komma drei zwei Sekunden Nord und hundertzwanzig Grad, siebenundfünfzig Minuten, null Komma fünf fünf Sekunden Ost?«
    »Hm... keine Ahnung. Hört sich an wie Breite und Länge. Nordluzon, stimmt’s?«
    Die Dame nickt.
    »Ich soll Ihnen den Wert dieser Zahlen sagen?«
    »Ja.«
    »Kommt drauf an, was es dort gibt, vermute ich.«
    »Nehme ich auch an«, erwidert die Dame. Und das ist alles, was sie für den Rest des Tanzes sagt. Außer dass sie Randy Komplimente wegen seiner tänzerischen Fähigkeiten macht, was genau so schwer zu interpretieren ist.

Mädchen
    Wohnungen sind in Brisbane, das zu einer Goldgräberstadt der Spione – Bletchley Park Down Under – geworden ist, immer schwerer zu finden. Da gibt es das Central Bureau, das seine Zelte auf der Rennbann von Ascot aufgeschlagen hat, und woanders einen Verein namens Allied Intelligence Bureau. Die Leute, die im Central Bureauarbeiten, sind in aller Regel blässliche Mathematikexperten. Die AIB-Leute dagegen erinnern Waterhouse sehr stark an die Burschen von Abteilung 2702: wachsam, wettergegerbt und wortkarg.
    Eine halbe Meile von der Rennbahn entfernt sieht er einen der Letzteren mit einem fünfhundert Pfund schweren Seesack auf dem Rücken leichtfüßig die Treppe einer hübschen Lebkuchen-Pension hinunterhüpfen. Der Mann ist für eine längere Reise angezogen. Eine großmütterliche Frau mit Schürze steht auf der Veranda und winkt ihm mit einem Geschirrtuch nach. Das Ganze gleicht einer Filmszene; man könnte nicht ahnen, dass sich nur ein paar Flugstunden entfernt Menschen wie Fotopapier in einer Entwicklerschale schwärzen, während ihr lebendiges Fleisch von Clostridium-Bakterien in fauliges Gas verwandelt wird.
    Waterhouse hält nicht inne, um die Wahrscheinlichkeit dafür abzuschätzen, dass er, der einen Platz zum Wohnen braucht,

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