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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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von THE GRACE OF GOD.
    Als mein GPS dann schließlich anzeigte, dass wir nur noch weniger als zehn Kilometer von unserem geheimnisvollen Ziel entfernt waren, wies ein Einheimischer uns an, in einem nahe gelegenen Dorf zu warten. Einen Tag & eine Nacht lang hielten wir uns dort auf, blieben wach und lasen Bücher (DMS hat immer eine kleine Kiste voller Techno-Thriller dabei), bis sich uns im Morgengrauen ein Trio sehr junger, kleiner Männer näherte, von denen einer eine AK-47 trug. Er und seine Genossen stiegen auf das Dach von THE GRACE OF GOD, und wir stießen in einen Dschungelpfad vor, der so schmal war, dass ich ihn nicht einmal als Fußweg ausgemacht hätte. Ein paar Kilometer tiefer im Dschungel erreichten wir einen Punkt, von dem an wir mehr Zeit damit zubrachten, den Jeepney zu schieben, als in ihm zu fahren. Bald darauf ließen wir Bong-Bong, Fidel und einen unserer Seesäcke zurück, und fortan wechselten wir vier uns damit ab, die beiden anderen zu schleppen. Ich konsultierte das GPS & stellte fest, dass wir uns, obwohl wir uns eine Zeit lang (beunruhigend) von unserem Ziel entfernt hatten, jetzt wieder darauf zu bewegten. Wir waren noch achttausend Meter davon entfernt und kamen mit einer Geschwindigkeit vorwärts, die zwischen fünfhundert und tausend Meter pro Stunde variierte, je nachdem ob wir steil bergauf oder steil bergab stiegen. Es war gegen Mittag. Diejenigen von euch, die auch nur rudimentäre Kenntnisse in Mathematik besitzen, werden geahnt haben, dass wir, als die Sonne unterging, immer noch ein paar tausend Meter weit weg waren. Die drei Filipinos – die uns führten, bewachten, gefangen hielten oder was auch immer – trugen die obligatorischen amerikanischen T-Shirts, die es einem heute so leicht machen, kulturelle Unterschiede zu unterschätzen. Trans-Ethnizität hatten sie allerdings noch nicht erreicht. Während sie in der Stadt Gummilatschen trugen, gingen sie im Dschungel barfuß (ich habe schon Schuhe besessen, die weniger lang gehalten haben als die Hornhaut an ihren Füßen). Sie sprachen eine Sprache, die anscheinend null mit dem Tagalog, das ich kannte, zu tun hatte (»Tagalog« ist der alte Name; die Regierung drängt die Leute, »Pilipino« zu sagen, gleichsam um zum Ausdruck zu bringen, dass es in gewisser
    Weise eine gemeinsame Sprache des Archipels sei, was, wie diese Burschen bewiesen, nicht der Fall ist). DMS musste englisch mit ihnen sprechen. Irgendwann gab er einem einen Wegwerf-Plastikkugelschreiber und ihre Gesichter hellten sich eindeutig auf. Darauf mussten wir nach zwei weiteren Kulis für seine Gefährten wühlen. Es war wie Weihnachten. Einige Minuten lang war an Vorankommen nicht zu denken, weil sie über den praktischen Klickmechanismus an den Kulis staunten und irgendetwas in ihre Handflächen kritzelten. Die amerikanischen T-Shirts wurden, mit anderen Worten, nicht so getragen, wie Amerikaner sie tragen, sondern aus derselben Einstellung heraus, aus der die englische Königin den exotischen Kohi-noor-Diamanten an ihrer Krone trug. Nicht zum ersten Mal wurde ich von einem starken Gefühl der Fremdheit übermannt.
    Wir schleppten uns durch das unvermeidliche Spätnachmittagsgewitter und gingen in die Nacht hinein weiter. DMS holte Fertiggerichte der US-Armee, die nur ein paar Wochen über dem aufgedruckten Verfallsdatum lagen, aus den Seesäcken hervor. Die Filipinos fanden diese fast genauso aufregend wie die Kugelschreiber und hoben sich die Wegwerf-Aluminiumschalen zum späteren Gebrauch als Dachdeckmaterialien auf. Dann schleppten wir uns weiter. Der Mond kam heraus, was ein kleiner Glücksfall war. Ich fiel ein paar Mal hin und schlug mir den Kopf an Bäumen an, was im Grunde gar nicht schlecht war, weil es mich in einen leichten Schockzustand versetzte, in dem mein Schmerz gelindert und mein Adrenalinspiegel in die Höhe getrieben wurde. An einer Stelle schienen sich unsere Führer über den einzuschlagenden Weg nicht ganz schlüssig zu sein. Ich nahm mit dem GPS eine Ortung vor (wobei ich die Nachtlichtfunktion benutzte) und stellte fest, dass wir nicht mehr als fünfzig Meter vom Ziel entfernt waren, eine derart kleine Abweichung, dass mein GPS sie schon fast nicht mehr wahrnehmen konnte. Jedenfalls sagte es uns in etwa die Richtung, in der wir weitergehen mussten, und eine Zeit lang trotteten wir wieder zwischen den Bäumen hindurch. Die Führer wurden lebhaft und sehr vergnügt – endlich fanden sie sich zurecht, sie wussten, wo wir waren. Ich

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