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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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towarischtsch!«, sagt er schließlich.
    »Wie war das?«
    »Das heißt auf Russisch ›Guten Tag, Genosse‹«, sagt Otto. »Ich habe es geübt.«
    »Du solltest mal lieber den amerikanischen Fahneneid üben«, sagt Shaftoe. »Sobald wir mit den Deutschen fertig sind, denk ich, legen wir einen Zahn zu und treiben die Russkies bis nach Sibirien zurück.«
    Abermals Gelächter von Otto, der weiß, was Naivität ist, sie aber dennoch nicht uncharmant findet. »Ich habe die deutsche Flugzeugturbine in Finnland vergraben«, sagt er. »Ich werde sie den Russen oder den Amerikanern verkaufen – je nachdem, wer zuerst da ist.«
    »Wo ist Julieta?«, fragt Shaftoe erneut. So viel zum Thema Naivität.
    »In der Stadt«, antwortet Otto. »Einkaufen.«
    »Du hast also Geld gekriegt.«
    Otto sieht seekrank aus. Morgen ist Zahltag.
    Dann wird Shaftoe in einen Bus nach Stockholm steigen. Shaftoe setzt sich Otto gegenüber und sie trinken Kaffee und unterhalten sich eine Zeit lang über das Wetter, das Schmuggeln und die jeweiligen Stärken verschiedener kleiner, vollautomatischer Waffen. Eigentlich unterhalten sie sich darüber, ob Shaftoe bezahlt werden und wie viel er bekommen wird.
    Am Ende macht Otto ein vorsichtiges Zahlungsversprechen, vorausgesetzt, Julieta gibt auf ihrem »Einkaufsbummel« nicht alles Geld aus, und vorausgesetzt, Shaftoe entlädt das Boot.
    Und so verbringt Bobby Shaftoe den Rest des Tages damit, sowjetische Mörser, rostige Kaviardosen, Kisten mit nach Kiefern duftendem finnischem Schnaps, widerliche Wurstringe und Bündel von Fellen aus dem Laderaum von Ottos Boot in die Hütte zu schaffen.
    Derweil geht Otto in die Stadt und ist auch lange nach Einbruch der Dunkelheit noch nicht wieder zurückgekommen. Shaftoe legt sich in der Hütte hin, wirft sich ungefähr vier Stunden von einer Seite auf die andere, schläft ungefähr zehn Minuten und wird dann von einem Klopfen an der Tür geweckt.
    Er nähert sich der Tür auf allen vieren, holt die Suomi-Maschinenpistole aus ihrem Versteck, robbt dann ans andere Ende der Hütte und verlässt sie leise durch eine Falltür im Boden. Die Felsen darunter sind mit Eis überzogen, doch seine nackten Füße finden so viel Halt, dass er um die Hütte herumkraxeln und denjenigen, der da steht und gegen die Tür hämmert, gründlich in Augenschein nehmen kann.
    Es ist Enoch Root höchstpersönlich, von dem man ungefähr eine Woche lang nichts gesehen hat.
    »Heda!«, sagt Shaftoe.
    »Bobby«, sagt Root im Umdrehen, »Sie haben es wohl schon gehört.«
    »Was gehört?«
    »Dass wir in Gefahr sind.«
    »Nee«, sagt Shaftoe, »ich gehe eigentlich immer so an die Tür.«
    Sie betreten die Hütte. Root lehnt es ab, irgendwelche Lichter anzumachen, und sieht ständig zum Fenster hinaus, als erwarte er jemanden. Er riecht schwach nach Julietas Parfüm, ein charakteristisches Duftwässerchen, das Otto fässerweise nach Finnland schmuggelt. Irgendwie überrascht das Shaftoe nicht. Er macht sich daran, Kaffee zu kochen.
    »Es hat sich eine äußerst diffizile Situation ergeben«, sagt Root.
    »Allerdings.«
    Das verblüfft Root und er blickt verständnislos, mit im Mondlicht benommen glänzenden Augen, zu Shaftoe auf. Man kann der klügste Bursche der Welt sein, aber wenn eine Frau ins Spiel kommt, geht’s einem genau wie jedem anderen Trottel.
    »Sind Sie den ganzen Weg hierher gekommen, um mir zu sagen, dass Sie Julieta vögeln?«
    »Aber nein, nein, nein!«, sagt Root. Er hält einen Moment inne, furcht die Stirn. »Das heißt, ja. Und ich wollte es Ihnen auch sagen. Aber das ist nur der erste Teil einer sehr viel komplizierteren Geschichte.« Root steht auf, schiebt die Hände in die Taschen, geht erneut in der Hütte herum und sieht zu den Fenstern hinaus. »Haben Sie noch mehr von diesen finnischen Maschinenpistolen?«
    »In der Kiste links von Ihnen«, sagt Shaftoe. »Wieso? Gibt’s eine Schießerei?«
    »Vielleicht. Nicht zwischen uns beiden! Aber es kommen vielleicht noch andere Besucher.«
    »Polizei?«
    »Schlimmer.«
    »Finnen?« Denn Otto hat Konkurrenten.
    »Schlimmer.«
    »Wer denn dann?« Denn Schlimmeres kann sich Shaftoe nicht vorstellen.
    »Deutsche. Aus Deutschland.«
    »Ach du Scheiße!«, ruft Shaftoe entrüstet. »Wie können Sie behaupten, dass die schlimmer sind als Finnen?«
    Root wirkt perplex. »Wenn Sie damit sagen wollen, dass die Finnen, für sich genommen, schlimmer sind als Deutsche, gebe ich Ihnen Recht. Aber das Problem mit den Deutschen ist,

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