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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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die habe ich mir eigentlich erst Gedanken gemacht, als ich schon fast hier war. Das war weniger Mut, als vielmehr fehlender Weitblick.«
    An Weitblick fehlt es Shaftoe nicht unbedingt. »Nehmen Sie mir das mal ab.« Er reicht ein kurzes, schweres Stahlrohr vom Durchmesser einer Kaffeedose herunter. »Es ist schwer«, fügt er hinzu, als Root in die Knie geht.
    »Was ist das?«
    »Ein sowjetischer Hundertzwanzig-Millimeter-Mörser«, antwortet Shaftoe.
    »Aha.« Root bleibt eine Zeit lang stumm, während er den Mörser auf den Tisch legt. Als er wieder etwas sagt, klingt seine Stimme anders. »Mir war gar nicht klar, dass Otto solches Zeug hat.«
    »Das Ding wirkt im Umkreis von gut sechzig Fuß tödlich«, sagt Shaftoe. Er ist dabei, Mörsergranaten aus der Kiste zu zerren und sie neben der Dachluke zu stapeln. »Oder vielleicht sind’s auch Meter, das weiß ich nicht mehr.« Die Granaten sehen aus wie dicke Footballeier mit Heckflossen.
    »Fuß, Meter... der Unterschied ist aber schon wichtig«, sagt Root.
    »Vielleicht ist es ja auch des Guten zu viel. Aber wir müssen nach Norrsbruck zurück und uns um Julieta kümmern.«
    »Was heißt das, uns um sie kümmern?«, fragt Root misstrauisch.
    »Sie heiraten.«
    »Was?«
    »Einer von uns muss sie heiraten, und zwar schnell. Ich weiß ja nicht, wie’s Ihnen geht, aber ich mag sie irgendwie, und es wär schade, wenn sie für den Rest ihres Lebens mit vorgehaltener Kanone gezwungen würde, Russenschwänze zu lutschen«, sagt Shaftoe. »Außerdem könnte sie von einem von uns schwanger sein. Von Ihnen, mir oder Günter.«
    »Wir, die Verschwörer, haben die Pflicht, uns um unsere Nachkommenschaft zu kümmern«, pflichtet Root bei. »Wir könnten in London einen Treuhandfonds für sie einrichten.«
    »Geld dafür müsste reichlich da sein«, stimmt Shaftoe zu. »Aber ich kann sie nicht heiraten, weil ich vielleicht Glory heiraten muss, wenn ich nach Manila komme.«
    »Rudi kann es auch nicht«, sagt Root.
    »Weil er schwul ist?«
    »Nein, Schwule heiraten ständig Frauen«, antwortet Root. »Er kann es nicht, weil er Deutscher ist, und was will sie mit einem deutschen Pass?«
    »Ja, das wäre nicht sehr schlau«, pflichtet Shaftoe bei.
    »Damit bleibe ich übrig«, sagt Root. »Ich werde sie heiraten und sie wird einen britischen Pass bekommen. Den besten der Welt.«
    »Ach nee«, sagt Shaftoe, »und wie passt das damit zusammen, dass Sie angeblich ein zölibatärer Mönch oder Priester oder sonst so’n Scheiß sind?«
    Root sagt: »Ich soll zölibatär leben -«
    »Aber sie tun’s nicht«, erinnert ihn Shaftoe.
    »Aber Gottes Vergebung ist unendlich«, kontert Root und bringt damit ein nicht zu widerlegendes Argument an. »Also, wie ich schon sagte, ich soll zölibatär leben – aber das heißt nicht, dass ich nicht heiraten darf. Sofern ich die Ehe nicht vollziehe.«
    »Aber wenn Sie sie nicht vollziehen, ist sie ungültig!«
    »Aber der einzige Mensch außer mir, der weiß, dass wir sie nicht vollziehen, ist Julieta.«
    »Gott wird es wissen«, sagt Shaftoe.
    »Gott stellt keine Pässe aus«, sagt Root.
    »Und was ist mit der Kirche? Man wird Sie rausschmeißen.«
    »Vielleicht verdiene ich es ja, rausgeschmissen zu werden.«
    »Nur damit wir uns recht verstehen«, sagt Shaftoe, »als Sie Julieta tatsächlich gevögelt haben, haben Sie gesagt, sie täten’s nicht, und konnten deshalb weiter Priester bleiben. Und jetzt haben Sie vor, sie zu heiraten, sie nicht zu vögeln und zu behaupten, sie täten’s doch.«
    »Falls Sie damit andeuten wollen, dass meine Beziehung zur Kirche äußerst kompliziert ist, Bobby – das ist mir bereits bekannt.«
    »Na, dann gehen wir«, sagt Shaftoe.
    Shaftoe und Root schleppen den Mörser und eine Kistenladung Granaten zum Strand hinunter, wo sie hinter einer gut einen Meter fünfzig hohen Schutzmauer Deckung nehmen können. Weil man wegen der Brandung jedoch rein gar nichts hören kann, versteckt sich Root zwischen den Bäumen entlang der Straße und überlässt es Shaftoe, mit dem sowjetischen Mörser herumzuspielen.
    Wie sich herausstellt, ist gar kein großes Herumgespiele nötig. Ein des Lesens unkundiger Tundra-Bauer mit Frostbeulen an beiden Händen könnte das Ding in zehn Minuten aufstellen und zum Schießen bringen. Wenn es am Abend vorher spät geworden wäre – er zum Beispiel die Erfüllung des letzten Fünfjahresplans mit einem Krug Holzschnaps gefeiert hätte -, vielleicht auch fünfzehn Minuten.
    Shaftoe sieht in

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