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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Zigarrenkiste, die über und über mit spanischen Wörtern beschriftet ist.
    Als Enoch Root stirbt, sind nur Rudolf von Hacklheber, Bobby Shaftoe und der schwedische Arzt im Zimmer anwesend.
    Der Arzt sieht auf seine Uhr und geht hinaus.
    Rudi schließt Enochs Augen, lässt die Hand auf dem Gesicht des verstorbenen Padre liegen und sieht Shaftoe an. »Sehen Sie zu«, sagt er, »dass der Arzt den Totenschein ausfüllt.«
    Im Krieg passiert es ziemlich häufig, dass einem ein Kumpel stirbt und man gleich wieder ins Gefecht gehen und sich die Heulerei für später aufheben muss. »In Ordnung«, sagt Shaftoe und geht hinaus.
    Der Arzt sitzt in seinem kleinen Behandlungsraum, dessen Wände mit umlautgespickten Diplomen bepflastert sind, und ist dabei, den Totenschein auszufüllen. In einer Ecke baumelt ein Skelett. Bobby Shaftoe nimmt an der gegenüberliegenden Flanke Grundstellung ein, sodass er und das Skelett den Arzt gewissermaßen anpeilen und ihm dabei zusehen, wie er Datum und Uhrzeit des Hinscheidens von Enoch Root hinkritzelt.
    Als der Arzt fertig ist, lehnt er sich in seinem Stuhl zurück und reibt sich die Augen.
    »Kann ich Ihnen eine Tasse Kaffee spendieren?«, fragt Bobby Shaftoe.
    »Danke«, sagt der Arzt.
    Die junge Braut und ihr Onkel fläzen sich verschlafen im Wartezimmer des Arztes. Shaftoe lädt sie ebenfalls zum Kaffee ein. Sie überlassen es Rudi, über den Leichnam ihres verstorbenen Freundes und Mitverschwörers zu wachen, und gehen die Hauptstraße von Norrsbruck hinunter. Die ersten Schweden kommen aus ihren Häusern. Sie sehen haargenau so aus wie Amerikaner des Mittleren Westens und Shaftoe wundert sich jedes Mal darüber, dass sie kein Englisch reden.
    Der Arzt schaut kurz bei der Gemeindeverwaltung vorbei, um den Totenschein loszuwerden. Otto und Julieta gehen schon ins Café voraus. Bobby Shaftoe bleibt draußen stehen und starrt die Straße hinauf. Nach ein, zwei Minuten sieht er Rudi den Kopf zur Tür der Arztpraxis herausstecken und erst in die eine, dann in die andere Richtung schauen. Er zieht seinen Kopf einen Moment lang zurück. Dann kommen er und ein zweiter Mann aus der Praxis. Der andere ist in eine Decke gewickelt, die sogar seinen Kopf verhüllt. Sie steigen in den Mercedes, der Mann mit der Decke legt sich auf den Rücksitz und Rudi fährt in Richtung seines Cottage davon.
    Bobby Shaftoe geht in das Café und setzt sich zu den Finnen.
    »Nachher steig ich in den Mercedes und fahr nach Stockholm, wie wenn der Teufel hinter mir her wäre«, sagt Shaftoe. Die Finnen werden es zwar nicht zu würdigen wissen, aber er hat den Vergleich aus gutem Grund gewählt. Er begreift jetzt, warum er sich seit Guadalcanal als toten Mann sieht. »Na egal. Ich hoffe, ihr habt eine schöne Bootsfahrt.«
    »Bootsfahrt?«, fragt Otto unschuldig.
    »Ich hab dich an die Deutschen verkauft, genau wie du mich«, lügt Shaftoe.
    »Du Schwein!«, legt Julieta los. Aber Bobby schneidet ihr das Wort ab: »Du hast gekriegt, was du wolltest, und noch einiges drüber raus. Einen britischen Pass und« – bei einem Blick zum Fenster hinaus sieht er den Arzt aus der Gemeindeverwaltung kommen – »dazu noch Enochs Hinterbliebenenrente. Und später vielleicht noch mehr. Und was dich angeht, Otto, deine Karriere als Schmuggler ist vorbei. Ich schlage vor, dass du schleunigst von hier abhaust.«
    Otto ist noch immer viel zu sehr von den Socken, um empört zu sein, aber die Empörung wird nicht lange auf sich warten lassen. »Und wohin soll ich abhauen!? Hast du dir mal die Mühe gemacht, auf eine Karte zu schauen?«
    »Sei gefälligst ein bisschen flexibel«, sagt Shaftoe. »Dir fällt schon was ein, wie du deinen Pott nach England kriegst.«
    Man kann über Otto sagen, was man will, aber er mag Herausforderungen. »Ich könnte den Götakanal von Stockholm nach Göteborg nehmen – Deutsche gibt’s da nicht – so käme ich fast bis nach Norwegen – aber Norwegen ist voll von Deutschen! Selbst wenn ich’s durch den Skagerrak schaffe – soll ich vielleicht die Nordsee überqueren? Im Winter? Im Krieg?«
    »Falls es dich beruhigt: Sobald du in England bist, musst du nach Manila weiterfahren.«
    »Manila?«
    »Da kommt einem England wie ein Klacks vor, was?«
    »Glaubst du vielleicht, ich bin ein reicher Yachtbesitzer, der zum Vergnügen um die Welt segelt?«
    »Nein, aber Rudolf von Hacklheber ist einer. Er hat Geld, er hat Verbindungen. Und er hat eine gute Yacht in Aussicht, neben der deine Ketsch wie ein altes

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