Cryptonomicon

Ruderboot aussieht«, sagt Shaftoe. »Komm schon, Otto. Hör mit dem Gejammer auf, hol noch ein paar Diamanten aus deinem Arsch und mach voran. Allemal besser, als von den Deutschen zu Tode gefoltert zu werden.« Shaftoe steht auf und klopft Otto ermutigend auf die Schulter, was Otto überhaupt nicht mag. »Bis dann, in Manila.«
    Der Arzt kommt zur Tür herein. Bobby Shaftoe klatscht etwas Geld auf den Tisch. Er schaut Julieta in die Augen. »Hab ein ganzes Ende zu fahren«, sagt er, »Glory wartet auf mich.«
    Julieta nickt. So ist Shaftoe wenigstens in den Augen einer Finnin kein ganz schlechter Kerl. Er bückt sich, gibt ihr einen innigen, feuchten Kuss, richtet sich auf, nickt dem verblüfften Arzt zu und geht hinaus.

Auf Freiersfüßen
    Bislang hat sich Waterhouse mit einer Geschwindigkeit von ungefähr einem pro Woche durch exotische japanische Codesysteme gefressen, doch nachdem er im Salon von Mrs. McTeagues Pension Mary Smith kennen gelernt hat, fällt seine Produktivitätsrate auf nahezu null. Wahrscheinlich wird sie sogar negativ, denn manchmal, wenn er die Morgenzeitung liest, verwirrt sich deren Klartext vor seinen Augen zu Kauderwelsch, dem er keinerlei nützliche Informationen mehr entnehmen kann.
    Trotz seiner und Turings Meinungsverschiedenheiten darüber, ob das menschliche Gehirn eine Turing-Maschine ist, muss er zugeben, dass es Turing nicht allzu viele Probleme bereiten würde, eine Reihe von Anweisungen zur Simulation der Gehirnfunktionen von Lawrence Pritchard Waterhouse niederzuschreiben.
    Waterhouse strebt nach Glück. Er erlangt es, indem er japanische Codesysteme knackt und Orgel spielt. Da jedoch an Orgeln Mangel herrscht, hängt sein Glücksgrad letzten Endes fast völlig vom Codeknacken ab.
    Er kann keine Codes knacken (und demzufolge nicht glücklich sein), sofern sein Verstand nicht klar ist. Angenommen, geistige Klarheit wird bezeichnet durch K g , welches dergestalt normalisiert oder kalibriert wird, dass stets

    gilt, wobei K g =0 einen völlig umwölkten Verstand und K g =1 gottähnliche Klarheit – einen unerreichbaren Zustand unendlicher Intelligenz – anzeigt. Bezeichnet man die Anzahl der von Waterhouse an einem bestimmten Tag entschlüsselten Funkmeldungen durch N Entschlüsselungen , so wird sie ungefähr auf folgende Weise von K g bestimmt:

    Geistige Klarheit (K g ) wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, deren weitaus wichtigster jedoch die Geilheit ist, die sich durch σ bezeichnen ließe, und zwar aus nahe liegenden anatomischen Gründen, die Waterhouse in diesem Stadium seiner emotionalen Entwicklung amüsant findet.
    Geilheit beginnt bei null zum Zeitpunkt z=z 0 (der unmittelbar auf die Ejakulation folgt) und nimmt von da an als lineare Funktion der Zeit zu:
    Die einzige Möglichkeit, sie wieder auf null zu bringen, besteht darin, für eine weitere Ejakulation zu sorgen.
    Es gibt eine kritische Schwelle σ k , dergestalt, dass es, wenn σ>σ k , für Waterhouse unmöglich wird, sich auf irgendetwas zu konzentrieren, oder annäherungsweise
was auf die Feststellung hinausläuft, dass es für Waterhouse, sobald σ über die Schwelle σ k ansteigt, vollkommen unmöglich wird, japanische Kryptosysteme zu knacken. Das wiederum macht es ihm unmöglich, Glück zu erlangen (es sei denn, es gibt in erreichbarer Nähe eine Orgel, was aber nicht der Fall ist).
    Normalerweise dauert es nach erfolgter Ejakulation zwei oder drei Tage, bis σ über σ k steigt:

    Für die Aufrechterhaltung von Waterhouses geistiger Gesundheit ist es somit von entscheidender Bedeutung, dass er alle zwei bis dreiTage ejakulieren kann. Solange er dazu die Möglichkeit hat, zeigt σ ein klassisches Sägezahn-Wellenmuster, dessen Spitzen optimalerweise bei oder nahe bei σ k liegen [s. S. 711], wobei die grauen Bereiche Zeiträume darstellen, in denen er für die Kriegsleistungen von keinerlei Nutzen ist.
    Soviel zur grundlegenden Theorie. Nun hat er jedoch während seiner Zeit in Pearl Harbor etwas festgestellt, das im Rückblick eigentlich zutiefst beunruhigend hätte sein müssen. Nämlich dass in einem Bordell (sprich durch die Verrichtungen einer wirklichen Frau) herbeigeführte Ejakulationen σ unter den Grad zu drücken schienen, den Waterhouse erreichen konnte, wenn er eine Manuelle Übersteuerung vornahm. Mit anderen Worten, der post-ejakulatorische Geilheitsgrad entsprach nicht immer null, wie die oben dargelegte, naive Theorie fordert, sondern irgendeiner anderen Größe, die davon