Cryptonomicon
kleinen fluoreszierenden Röhren, die im Polykarbonatsarg seines Computerdisplays eingeschlossen sind. Daraus entweichen kann es nur durch eine Randy zugewandte Glasscheibe, die ganz mit kleinen gitterartig angeordneten Transistoren bedeckt ist. Diese lassen Photonen durch oder nicht, oder sie lassen nur Photonen einer bestimmten Wellenlänge durch, wobei sie das fahle Licht in Farben brechen. Durch An- und Ausschalten dieser Transistoren nach irgendeinem systematischen Plan wird Randy Waterhouse Bedeutung übermittelt. Ein guter Filmemacher könnte ihm eine ganze Geschichte liefern, indem er sich für ein paar Stunden dieser Transistoren bemächtigte.
Leider schwirren sehr viel mehr Laptops herum, als es beachtenswerte Filmemacher gibt. Die Transistoren werden fast nie Menschen anvertraut. Stattdessen werden sie von Software kontrolliert. Früher war Randy von Software fasziniert, jetzt ist er es nicht mehr. Es ist schwer genug, interessante Menschen zu finden.
Heute hat der Laptop für Randy nur noch eine Funktion: Er benutzt ihn, um mit anderen per E-Mail zu kommunizieren.Wenn er mit Avi kommuniziert, muss er Ordo verwenden, ein Werkzeug, mit dem er seine Gedanken in Bitströme umwandeln kann, die sich fast nicht von weißem Rauschen unterscheiden, sodass er sie Avi ganz privat schicken kann. Dafür empfängt das Programm Rauschen von Avi, das es in Avis Gedanken umwandelt. Im Augenblick hat Epiphyte keinerlei Aktiva außer Information – es ist nichts weiter als eine Idee, untermauert von ein paar Fakten und Daten. Und die ist furchtbar leicht zu stehlen. Deshalb ist Verschlüsselung durchaus sinnvoll. Die Frage ist nur: Welcher Grad an Paranoia ist wirklich angebracht?
Avi schickte ihm per verschlüsselter E-Mail:
Ich möchte, dass du, wenn du nach Manila kommst, ein 4096-Bit-Schlüsselpaar generierst und es auf einer Floppydisk speicherst, die du immer bei dir trägst. Lass es nicht auf deiner Festplatte. Jeder könnte in dein Hotelzimmer einbrechen, während du weg bist, und diesen Schlüssel klauen.
Jetzt zieht Randy ein Menü herunter und klickt auf ein Feld mit der Bezeichnung: »Neuer Schlüssel...<
Darauf erscheint ein Kasten, der ihm verschiedene Schlüssellängen zur Auswahl anbietet: 768 Bit, 1024, 1536, 2048, 3072, oder Andere Länge. Randy wählt die letzte Möglichkeit und tippt lustlos 4096 ein.
Schon um einen 768-Bit-Schlüssel zu knacken, braucht man ungeheure Ressourcen. Fügt man ein Bit hinzu, um ihn 769 Bit lang zu machen, wird es zweimal so schwierig. Ein 770-Bit-Schlüssel ist wiederum doppelt so schwierig und so weiter. Bei Verwendung von 768-Bit-Schlüsseln könnten Randy und Avi ihre Kommunikation wenigstens die nächsten paar Jahre vor fast jedem möglichen Angriff schützen. Ein 1024-Bit-Schlüssel wäre um ein astronomisch Vielfaches schwieriger zu knacken.
Manche Leute gehen so weit, 2048 oder sogar 3072 Bit lange Schlüssel zu verwenden. Damit blockieren sie die allerbesten CodeKnacker der Welt für eine astronomisch lange Zeit, wenn nicht jenseitsmäßige Technologien wie Quanten-Computer erfunden werden. Ein Großteil der Verschlüsselungssoftware – sogar Sachen, die von extrem sicherheitsbewussten Kryptographie-Experten geschrieben wurden – kann mit Schlüsseln, die noch länger sind, gar nichts anfangen. Avi besteht jedoch auf der Verwendung von Ordo, das allgemein als die beste Verschlüsselungssoftware der Welt gilt, da es mit Schlüsseln von unbegrenzter Länge fertig wird – solange es einem nichts ausmacht, zu warten, bis es sämtliche Zahlen verarbeitet hat.
Randy fängt an zu tippen. Dabei schaut er gar nicht auf den Bildschirm, sondern zum Fenster hinaus auf die Lichter der Lastwagen und Jeepneys. Er tippt nur mit einer Hand, die er locker auf die Tastatur klopfen lässt.
Im Inneren von Randys Computer befindet sich eine Uhr. Immer wenn er eine Taste drückt, zeichnet Ordo mithilfe dieser Uhr bis auf die Mikrosekunde genau die aktuelle Zeit auf. Er drückt eine Taste um 03:05:56,935788 Uhr und die nächste um 03:05:57,290664 Uhr, das heißt 0,354876 Sekunden später. Nach weiteren 0,372307 Sekunden drückt er wieder eine. Ordo hält all diese Intervalle fest und lässt die signifikanteren Ziffern (in diesem Beispiel die 35 und die 37) fallen, denn diese Teile werden sich von einem Ereignis zum nächsten eher ähneln.
Ordo will Zufälligkeit. Es will nur die am wenigsten signifikanten Ziffern – etwa die 76 und die 07 ganz am Ende dieser Zahlen. Es will
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