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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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herum. Kleinere Mengen japanischer Touristen in ihren Bermuda-Shorts, Sandalen und weißen Socken haben sich auf den tiefen, üppigen, breiten Sofas niedergelassen und sitzen in Erwartung eines vorher vereinbarten Zeichens still da. Wie Stammeshäuptlinge ihre rituellen Keulen, so schwingen Kinder aus der philippinischen Oberschicht runde Kartoffelchips-Dosen. Ein würdevoller alter Hoteldiener, der einen Behälter mit Handpumpe trägt, geht an dem Verteidigungsring entlang und besprüht geräuschlos die Fußleiste mit einem Insektenspray. Da erscheint Randall Lawrence Waterhouse in einem türkisfarbenen Polohemd mit dem aufgestickten Logo einer der bankrott gegangenen High-Tech-Firmen, die er und Avi gegründet haben, einer locker sitzenden, von Hosenträgern gehaltenen Jeans und wuchtigen, ehemals weißen Turnschuhen.
    Kaum hatte er die Zollformalitäten am Flughafen hinter sich, fiel ihm auf, dass die Philippinen wie Mexiko zu den Ländern gehören, in denen es auf Schuhe ankommt. Rasch geht er auf die Rezeption zu, damit die reizende junge Frau in der marineblauen Kluft seine Füße nicht sieht. Ein paar bemitleidenswerte Hotelpagen rackern sich vergeblich mit seiner Tasche ab, die ungefähr so groß und schwer wie ein Aktenschrank mit zwei Schubladen ist. »Du wirst dort keine technischen Fachbücher finden«, hat Avi ihm erklärt, »nimm alles mit, was du auch nur im Entferntesten brauchen könntest.«
    Randys Suite besteht aus einem Schlaf- und einem Wohnzimmer, beide mit über vier Meter hohen Decken, und einem Flur an einer Seite, der mehrere begehbare Wandschränke und verschiedene durch Rohrleitungen verbundene Vorrichtungen aufweist. Das Ganze ist ausgekleidet mit irgendeinem tropischen Hartholz, gestrichen in einem hübschen, leuchtenden Kastanienbraun, das in nördlichen Breiten düster wirkte, hier aber den Eindruck von Gemütlichkeit und Kühle erweckt. Die beiden Haupträume haben riesige Fenster mit winzigen Zeichen an den Schnäppergriffen, die vor tropischen Insekten warnen. Jedes Zimmer ist von den Fenstern her durch ein mehrschichtiges System hintereinander angeordneter Barrieren geschützt: unglaublich massive hölzerne Rollläden, die wie Güterzüge beim Rangieren auf dem Verschiebebahnhof in Schienen vor und zurück rattern; eine zweite Jalousie, die aus fünf Zentimeter breiten Perlmuttquadraten in einem Gitter aus poliertem Holz besteht, das in eigenen Schienen geführt wird; Stores und schließlich dicht gewebte Vorhänge, die jeweils von einem eigenen klirrenden Gestänge herabhängen.
    Er lässt sich eine große Portion Kaffee bringen, die ihn gerade so lange wach hält, bis er ausgepackt hat. Es ist später Nachmittag. Purpurrote Wolken purzeln mit der geradezu greifbaren Wucht vulkanischer Schlammmassen aus den umliegenden Bergen und verwandeln den halben Himmel in eine kahle, von Blitzstrahlen waagerecht gestreifte Wand; die Wände des Hotelzimmers blitzen mit auf, so als wären draußen vor den Fenstern Paparazzi am Werk. Unten im Rizal Park rennen Essensverkäufer die Bürgersteige auf und ab, um dem Regen zu entgehen, der, wie er es ein halbes Jahrtausend getan hat, auf die schrägen schwarzen Mauern von Intramuros fällt. Würden diese Mauern nicht kerzengerade verlaufen, könnte man sie für eine geologische Laune der Natur halten: Grate aus blankem, dunklem Vulkangestein, die aus dem Gras hervorbrechen wie Zähne aus dem Zahnfleisch. Die Mauern haben schwalbenschwanzförmige Einschnitte, die zu alten Geschützstellungen zusammenlaufen, sodass jenseits eines trockenen Grabens einander überschneidende Schussfelder entstehen.
    Wenn man in den Staaten lebt, sieht man nichts, was älter als zweieinhalb Jahrhunderte ist, und um das zu sehen, muss man sich in den östlichen Zipfel des Landes begeben. Die Welt der Geschäftsreisenden mit ihren Flughäfen und Taxis sieht überall gleich aus. Dass er in einem anderen Land ist, glaubt Randy erst, wenn er so etwas wie Intramuros sieht, und dann muss er wie ein Trottel lange vor sich hin grübelnd dastehen.
     
     
     
    Zur selben Zeit hängen sich auf der anderen Seite des Pazifiks in einer kleinen, geschmackvollen viktorianischen Stadt, die auf einem Drittel des Weges von San Francisco nach Los Angeles liegt, die Computer auf, entscheidend wichtige Akten verschwinden und die E-Mail torkelt in den intergalaktischen Raum hinaus, weil Randy Waterhouse nicht da ist, um ein Auge auf alles zu haben. Die fragliche Stadt rühmt sich dreier

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