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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gewesen. Sind erst vor kurzem E-Mails ausgetauscht worden, scheint das eine virtuelle Begegnung darzustellen, die jegliches Händeschütteln oder Umarmen überflüssig macht. »Mit dem dämlichen Gesprächsbeitrag hattest du Recht«, ist das Erste, was Avi sagt. »Du verbringst zu viel Zeit mit Shaftoe und siehst die Dinge schon auf seine Art. Das war kein Versuch, dir eine Botschaft zu schicken, jedenfalls nicht so, wie Shaftoe meint.«
    »Was ist denn deine Interpretation?«
    »Wie würdest du es anstellen, wenn du eine neue Währung einführen wolltest?« fragt Avi.
    Randy schnappt oft Gesprächsfetzen von Geschäftsleuten auf, an denen er auf Flughäfen vorbeigeht, und dabei dreht es sich immer darum, wie die große Präsentation gelaufen ist oder wer in der engeren Wahl für den Posten des scheidenden Finanzvorstands ist und ähnliche Banalitäten. Er ist stolz auf das, wie er findet, viel höhere Gesprächsniveau oder zumindest die viel ausgefalleneren Themen seiner Gespräche mit Avi. Sie gehen zusammen um den sanften Bogen des inneren Rings am SFO. Ein Hauch von Sojasoße und Ingwer weht aus einem Restaurant und umnebelt Randys Verstand, sodass er sich einen Moment lang fragt, in welcher Hemisphäre er sich eigentlich befindet.
    »Hm, darauf habe ich bisher noch nicht viele Gedanken verwendet«, sagt er. »Ist das jetzt unser Ding? Führen wir demnächst eine neue Währung ein?«
    »Na ja, offensichtlich muss jemand eine einführen, die wirklich was taugt«, sagt Avi.
    »Ist das so ein Wer-zuerst-das-Gesicht-verzieht-Spielchen?« fragt Randy.
    »Ja, liest du denn keine Zeitung?« Avi packt Randy am Ellbogen und zieht ihn zum Zeitungsstand hinüber. Mehrere Blätter bringen auf der Titelseite Artikel über den Zusammenbruch südostasiatischer Währungen, aber so ganz neu ist das nicht.
    »Ich weiß, dass Währungsschwankungen für Epiphyte von Bedeutung sind«, sagt Randy. »Aber ich finde das so schrecklich langweilig, dass ich am liebsten wegrennen würde.«
    » Sie findet das nicht langweilig«, entgegnet Avi und reißt mit einem Ruck drei verschiedene Zeitungen heraus, die alle beschlossen haben, dasselbe Funkbild zu bringen: ein entzückendes Thai-Mädchen, das in einer kilometerlangen Schlange vor einer Bank steht und einen einzigen amerikanischen Dollarschein hochhält.
    »Ich weiß, für einige unserer Kunden ist es ein großes Ding«, sagt Randy, »nur habe ich es nicht wirklich als geschäftliche Möglichkeit gesehen.«
    »Nein; denk mal darüber nach«, sagt Avi. Er zählt ein paar von seinen eigenen Dollarscheinen für die Zeitungen auf die Theke und wendet sich dann einem der Ausgänge zu. Sie betreten einen Tunnel, der zu einer Parkgarage führt. »Der Sultan ist der Auffassung, dass -«
    »Hast du etwa einfach so mit dem Sultan rumgehangen?«
    »Die meiste Zeit mit Pragasu. Darf ich vielleicht mal ausreden? Wir haben beschlossen, die Krypta zu bauen, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Was ist die Krypta? Erinnerst du dich an die Funktion, die wir ihr ursprünglich zugedacht haben?«
    »Sichere, anonyme, nicht kontrollierte Datenspeicherung. Ein Datenhafen.«
    »Genau. Ein Bit-Schlucker. Und wir haben uns eine Menge Anwendungsmöglichkeiten dafür vorgestellt.«
    »Das kann man wohl sagen«, sagt Randy und denkt an die vielen langen Nächte um Küchentische und in Hotelzimmern, in denen sie Fassungen des Unternehmensplans schrieben, die jetzt genauso alt und vergessen sind wie die Originalhandschriften der vier Evangelien.
    »Eine davon war das Electronic Banking, die Abwicklung von Bankgeschäften über das Internet. Mensch, damals haben wir sogar vorausgesagt, dass es eine der Hauptanwendungen werden könnte. Aber sobald ein Unternehmensplan mit dem tatsächlichen Markt – der realen Welt – in Berührung kommt, werden plötzlich alle möglichen Dinge klar. Du hast vielleicht ein halbes Dutzend potentieller Märkte für dein Produkt im Auge gehabt, aber kaum öffnest du die Türen, explodiert einer davon und wird augenblicklich so wichtig, dass der gute Geschäftssinn dir befiehlt, die anderen aufzugeben und alle deine Bemühungen auf diesen einen zu konzentrieren.«
    »Und das ist mit dem e-banking passiert«, sagt Randy.
    »Ja. Während unserer Meetings im Sultanspalast«, erwidert Avi. »Vor diesen Treffen hatten wir uns vorgestellt – na, du weißt ja, was wir uns vorgestellt hatten. Und dann war der Raum gerammelt voll mit diesen Typen, die ausschließlich am e-banking interessiert waren.

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