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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Sitz hängt. Er richtet sich auf und entdeckt den Impala.
    »Ich glaube, es liegt daran, dass Sie ungefähr zehn Meilen pro Stunde fahren«, erklärt Amy, »und M.A. fährt gerne neunzig.«
    »Okay«, erwidert Randy, tritt schlicht und einfach aufs Gaspedal und fährt für immer aus der Stadt hinaus.

Bundok
    »Dieser Ort heißt Bundok«, sagt Hauptmann Noda mit Überzeugung zu ihm. »Wir haben ihn sorgfältig ausgewählt.« Die einzigen anderen Anwesenden im Zelt sind Goto Dengo und Leutnant Mori, aber er spricht, als stünde er vor einem auf dem Exerzierplatz angetretenen Bataillon.
    Goto Dengo ist schon lange genug auf den Philippinen, um zu verstehen, dass bundok in der Sprache der Einheimischen jeden Flecken zerklüfteten Berglandes bezeichnet, aber er vermutet, dass Hauptmann Noda nicht zu der Sorte Mensch gehört, der es zu schätzen wüsste, wenn er von einem Untergebenen belehrt würde. Wenn Hauptmann Noda sagt, dieser Ort heißt Bundok, dann heißt er Bundok, und zwar bis in alle Ewigkeit.
    Hauptmann ist kein sonderlich hoher Rang, aber Noda tritt auf, als wäre er General. Irgendwo ist dieser Mann wichtig. Seine Haut ist blass, als hätte er den Winter in Tokio verbracht. Noch faulen ihm die Stiefel nicht von den Füßen.
    Auf dem Tisch liegt ein Diplomatenkoffer aus Leder. Noda klappt eine Hälfte davon auf und zieht ein großes Stück gefaltetes weißes Leinen heraus. Die beiden Leutnants helfen ihm beflissen, es auf dem Tisch auszubreiten. Goto Dengo ist verblüfft darüber, wie sich das Leinen anfühlt. Seine Fingerspitzen sind der einzige Körperteil, der jemals Bettlaken dieser Güte berühren wird. Entlang der Webkante ist THE MANILA HOTEL aufgedruckt.
    Auf dem Laken ist ein grobes Diagramm skizziert worden. Blauschwarze Füllfederhalter-Striche mit zerlaufenen Flecken, wo die Hand innegehalten hat, verstärken eine ältere Schicht von Graphitkratzern. Jemand schrecklich Wichtiges (wahrscheinlich der Letzte, der auf diesem Laken geschlafen hat) hat sich mit schwarzem Fettstift beteiligt und das Ganze nach seiner Vorstellung umgemodelt, mit dicken, hingeworfenen Strichen und hastigen Anmerkungen, die wie aufgelöste Zöpfe in langem Frauenhaar aussehen. Diese Arbeit wiederum hat ein pingeliger Ingenieur, wahrscheinlich Hauptmann Noda selbst, der mit Tinte und feinem Pinsel arbeitete, höflich annotiert.
    Das hohe Tier mit dem Fettstift hat dem ganzen Werk den Titel STANDORT BUNDOK gegeben.
    Mit ein paar kleinen, rostigen Splinten, die ein Gefreiter ihnen triumphierend in einer gesprungenen Porzellankaffeetasse bringt, befestigen die Leutnants Mori und Goto das Laken an der Leinwand des Zeltes. Hauptmann Noda sieht gelassen zu und pafft dabei an einer Zigarette. »Vorsicht!«, scherzt er. »MacArthur hat auf diesem Laken geschlafen!«
    Leutnant Mori bricht pflichtschuldig in schallendes Gelächter aus. Goto Dengo steht auf Zehenspitzen, hält den oberen Rand des Lakens hoch und mustert die schwachen Bleistiftstriche, die dem ganzen Diagramm zugrunde liegen. Er sieht ein paar kleine Kreuze und nimmt, weil schon zu lange auf den Philippinen, zunächst an, es handele sich um Kirchen. An einer Stelle drängen sich drei zusammen und er stellt sich den Kalvarienberg vor.
    Ganz in der Nähe sind Grabarbeiten angedeutet. Er denkt Golgatha: die Schädelstätte.
    Verrückt! Er muss Ordnung in seinen Verstand bringen. Leutnant Mori steckt mit leisem Ploppen Splinte durch die Leinwand. Goto Dengo tritt zurück, wendet dem Hauptmann weiter den Rücken zu, schließt die Augen, sucht sich zu orientieren. Er ist Japaner. Er befindet sich in der Südlichen Ressourcenzone des Reiches Nippon. Die kreuzförmigen Markierungen stellen Gipfel dar. Bei den Grabungen handelt es sich um irgendwelche Aushubarbeiten, bei denen ihm eine wichtige Rolle zugedacht ist.
    Die blauschwarzen Füllfederhalter-Striche sind Flüsse. Fünf davon ziehen sich vom Dreifachgipfel von Bundok herab. Zwei der nach Süden strömenden Flüsse vereinigen sich zu einem größeren. Parallel zu diesem verläuft ein dritter Strom. Aber der Mann mit dem schwarzen Fettstift hat mit solcher Kraft einen Strich quer über den Strom gezogen, dass man noch immer schwarze Fett-Abschabsel am Laken haften sieht. Der Füllfederhalter ist dazu benutzt worden, von diesem Strich aus genau stromaufwärts eine Ausbauchung zu schraffieren. Offensichtlich will man den Fluss aufstauen und einen Tümpel, Teich oder See entstehen lassen; es ist schwer, sich ein Bild von den

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