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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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drei erstklassigen Stenographen mit haufenweise technischem Sachverstand dazu. Zu seiner Abteilung gehören zwei Burschen – zu Friedenszeiten ebenfalls ETC-Angestellte -, die echte Mathe-Kanonen sind, und so holt er sie ebenfalls dazu. Er sagt ihnen ein paar aufmunternde Worte: »Ich erwarte gar nicht, dass ihr versteht, wovon Waterhouse eigentlich redet. Ich werde so schnell ich kann hinter ihm herrennen. Ihr haltet ihn einfach an den Beinen fest und lasst auf gar keinen Fall los, damit ich seinen Rücken möglichst lange im Auge behalten kann.« Comstock ist stolz auf diese Analogie, aber die Mathe-Kanonen wirken verdutzt. Gereizt klärt er sie über die stets heikle Dichotomie von wörtlicher und übertragener Redeweise auf. Bis zu Waterhouses Eintreffen bleiben nur noch zwanzig Minuten; genau nach Plan geht Comstocks Adjutant mit einem Tablett Benzedrin-Tabletten durchs Zimmer. Comstock will mit gutem Beispiel vorangehen und nimmt zwei. »Verdammt, wo bleibt mein Wandtafel-Team?«, fragt er, während das starke Stimulans seinen Puls auf Touren bringt. In dem Moment kommen zwei mit Schwämmen und feuchten Fensterledern ausgerüstete Privates ins Zimmer, gefolgt von einem aus drei Mann bestehenden Foto-Team. Sie stellen zwei auf die Tafel gerichtete Fotoapparate plus zwei Blitzlichtlampen auf und legen einen reichlich bemessenen Vorrat von Filmrollen bereit.
    Er sieht auf seine Uhr. Sie liegen fünf Minuten hinter dem Zeitplan. Er schaut zum Fenster hinaus und sieht, dass sein Jeep zurückgekommen ist; Waterhouse muss im Gebäude sein. »Wo ist das Bergungsteam?«, fragt er.
    Ein paar Augenblicke später ist Sergeant Graves da. »Sir, wir sind wie befohlen zur Kirche gefahren, haben ihn ausfindig gemacht und, äh -« Er hustet hinter vorgehaltenem Handrücken.
    »Und was?«
    »Und es sieht ihm mal wieder ähnlich, Sir«, sagt Sergeant Graves sotto voce. »Im Augenblick ist er im Waschraum und macht sich sauber, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er kneift ein Auge zu.
    »Ohhhh«, sagt Earl Comstock, der es plötzlich kapiert.
    »Schließlich«, sagt Sergeant Graves, »kann man die eingerosteten Pfeifen seines Instruments nur dann ordentlich durchpusten, wenn man eine hübsche kleine Assistentin hat, die dafür sorgt, dass die Arbeit richtig erledigt wird.«
    Comstock versteift sich. »Sergeant Graves – es ist von entscheidender Bedeutung, dass ich das erfahre – ist die Arbeit richtig erledigt worden?«
    Graves furcht die Stirn, als bereite ihm gerade diese Frage Qualen. »Aber ja, Sir. Es fiele uns nicht im Traum ein, einen solchen Vorgang zu unterbrechen. Deswegen haben wir uns auch verspätet – bitte um Verzeihung.«
    »Nicht doch«, sagt Comstock und klopft Graves herzhaft auf die Schulter. »Genau deswegen räume ich meinen Leuten breiten Ermessensspielraum ein. Ich bin schon seit einiger Zeit der Meinung, dass Waterhouse dringend Entspannung braucht. Er konzentriert sich ein wenig zu sehr auf seine Arbeit. Manchmal weiß ich offen gestanden nicht, ob er etwas ungeheuer Brillantes sagt oder einfach nur faselt. Und ich glaube, Sergeant Graves, Sie haben zu unserer heutigen Zusammenkunft einen entscheidenden, ich wiederhole entscheidenden Beitrag geleistet, indem Sie die Klugheit besaßen, sich so lange zurückzuhalten, bis Waterhouse seine Angelegenheiten in Ordnung gebracht hatte.« Comstock wird bewusst, dass er sehr schnell atmet und dass sein Herz wie wahnsinnig klopft. Vielleicht hat er’s mit dem Benzedrin übertrieben?
    Zehn Minuten später schleppt sich Waterhouse auf schlaffen Beinen ins Zimmer, als hätte er aus Versehen sein eigenes Skelett im Bett zurückgelassen. Er schafft es kaum bis zu dem für ihn vorgesehenen Platz und plumpst darauf wie ein Sack Eingeweide, sodass ein paar Stränge des Korbgeflechts aus der Sitzfläche platzen. Er atmet abgerissen durch den Mund und die schweren Lider blinzeln häufig.
    »Sieht so aus, als würde das heute ein Routineflug, Männer!«, verkündet Comstock fröhlich. Alle außer Waterhouse kichern.Waterhouse ist seit einer Viertelstunde im Gebäude und Sergeant Graves hat mindestens ebenso lange gebraucht, um ihn hierher zu fahren. Das Ganze ist also mindestens eine halbe Stunde her, doch wenn man ihn so ansieht, könnte man meinen, es wäre erst vor fünf Sekunden geschehen.
    »Schenk mal jemand dem Mann eine Tasse Kaffee ein!«, befiehlt Comstock. Jemand tut es. Beim Militär zu sein ist verblüffend; man gibt Befehle und es geschieht etwas.

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