Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
»Sie haben das doch nicht etwa für die unaufbereiteten Eingabedaten gehalten?«
    »Na ja, ich -«
    »Die Eingabedaten haben mehrere Zimmer gefüllt. Ich musste fast jeden Funkspruch, den wir während des gesamten Krieges abgehört haben, dieser Analyse unterziehen. Erinnern Sie sich noch an die Lkws, die ich vor ein paar Wochen angefordert habe? Die brauchte ich nur, um die Karten von der Lagerung hin und her zu transportieren.«
    »Großer Gott!«, sagt Comstock. Nun erinnert er sich wieder an die Lkws, ihr unaufhörliches Kommen und Gehen, Blechschäden im Fahrzeugpark, die durch sein Fenster dringenden Auspuffgase, die Mannschaften, die schwere, mit Kisten beladene Karren durch die Gänge schoben. Den Leuten über die Zehen fuhren. Die Sekretärinnen verschreckten.
    Und dann der Krach. Der Krach, der Krach von Waterhouses gottverfluchter Maschine. Blumentöpfe, die sich von Aktenschränken herunterzitterten, stehende Wellen in Kaffeetassen.
    »Moment mal«, sagt einer der ETC-Männer mit der nasalen Skepsis eines Menschen, der gerade gemerkt hat, dass er verscheißert wird. »Ich habe die Lkws gesehen. Ich habe die Karten gesehen. Wollen Sie uns etwa weismachen, Sie hätten jeden einzelnen dieser Funksprüche einer statistischen Analyse unterzogen?«
    Waterhouse wirkt leicht in die Defensive gedrängt. »Tja, anders ging es nun mal nicht!«
    Nun holt Comstocks Mathe-Kanone zum entscheidenden Schlag aus. »Ich bin Ihrer Meinung, dass eine Analyse dessen, was hierdurch impliziert wird« – er wedelt mit der Hand zu dem Mandala aus sich schneidenden Vielecken auf Waterhouses Karte hin -, »nur dadurch zu leisten ist, dass man diese ganzen Lastwagenladungen alter, entschlüsselter Funksprüche eine nach der anderen durchgeht. Das ist klar. Dagegen haben wir auch keine Einwände.«
    »Wogegen haben Sie dann Einwände?«
    Die Mathe-Kanone lacht gereizt. »Ich mache mir bloß über die unangenehme Tatsache Sorgen, dass es auf der ganzen Welt keine Maschine gibt, die alle diese Daten so schnell verarbeiten kann.«
    »Haben Sie denn den Krach nicht gehört?«, fragt Waterhouse.
    »Wir haben alle den gottverdammten Krach gehört«, sagt Comstock. »Was hat denn das damit zu tun?«
    »Ach so«, sagt Waterhouse und verdreht angesichts seiner eigenen Dummheit die Augen. »Richtig. Tut mir Leid. Vielleicht hätte ich diesen Aspekt zuerst erklären sollen.«
    »Welchen Aspekt?«, fragt Comstock.
    »Dr. Turing von der Cambridge University hat darauf hingewiesen, dass bobbadah bobbadah hoe daddy yanga langa furjeezama bing jingle oh yeah«, sagt Waterhouse, oder etwas in diesem Sinne. Er hält inne, um Luft zu holen, und wendet sich schicksalsschwer der Tafel zu. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich das auswische?« Ein Private mit einem Schwamm springt vor. Comstock lässt sich auf einen Stuhl sinken und umklammert die Armlehnen. Ein Stenograf langt nach einer Benzedrin-Tablette. Ein ETC-Mann nagt an einem Bleistift wie ein Hund an einem Hühnerschlegel. Blitzlichter blitzen. Waterhouse schnappt sich ein frisches Stück Kreide, greift nach oben und drückt die Spitze auf den makellosen Schiefer. Die spröde Kante birst mit einem leisen Ploppen und ein winziger Schauer von Kreidestäubchen rieselt zu Boden und verteilt sich dabei zu einer schmalen, parabelförmigen Wolke. Waterhouse neigt einen Moment lang den Kopf wie ein Priester, der sich anschickt, den Mittelgang hinaufzuschreiten, und holt dann tief Atem.
    Fünf Stunden später lässt die Wirkung des Benzedrins nach und Comstock findet sich, über einen Tisch gefläzt, in einem Raum voller abgezehrter, erschöpfter Männer wieder.Waterhouse und die Privates sind mit Kreidestaub bepudert, was ihnen ein unheimliches Aussehen verleiht. Die Stenografen sind von benutzten Blöcken umgeben, hören öfter zu schreiben auf und schlenkern die schlaffen Hände durch die Luft wie weiße Flaggen. Die Drahttongeräte laufen sinnlos weiter, eine Spule ist voll, eine leer. Nur der Fotograf ist noch gut in Form und betätigt jedes Mal sein Blitzlicht, wenn Waterhouse die Tafel voll geschrieben hat.
    Alles riecht nach Achselschweiß. Comstock merkt, dass Waterhouse ihn erwartungsvoll ansieht. »Verstehen Sie?«, fragt Waterhouse.
    Comstock setzt sich gerade hin und wirft einen flüchtigen Blick auf seinen Schreibblock, auf dem er eine Tagesordnung zu entwerfen hoffte. Er sieht Waterhouses vier Behauptungen, die er sich in den ersten fünf Minuten der Zusammenkunft aufgeschrieben hat, und

Weitere Kostenlose Bücher