Cryptonomicon
dann nichts außer einem wirren Feld stachliger Kringel, die die Worte VERGRABEN und AUSGRABEN umrahmen.
Es geziemt sich für Comstock, irgendetwas zu sagen.
»Diese Geschichte da, die, äh, die Vergrabeprozedur, das ist das, äh -«
»Das Schlüsselelement!« sagt Waterhouse fröhlich. »Sehen Sie, für Eingabe und Ausgabe sind diese ETC-Karten-Maschinen großartig. Das stellt kein Problem mehr dar. Die logischen Elemente sind ganz einfach. Gebraucht wurde eine Methode, um der Maschine ein Gedächtnis zu geben, damit sie, um in Dr. Turings Terminologie zu bleiben, Daten rasch vergraben und ebenso rasch wieder ausgraben konnte. Also habe ich eine solche Maschine gebaut. Es ist ein elektrisches Gerät, aber die zugrundeliegenden Prinzipien wären jedem Orgelbauer verständlich.«
»Könnte ich sie, äh, sehen?«, fragt Comstock.
»Klar! Sie steht in meinem Labor.«
Sie sich anzusehen ist komplizierter. Zuerst müssen alle auf die Toilette, dann müssen die Kameras und die Blitzlichter ins Labor gebracht und aufgebaut werden. Als schließlich alle hineinmarschiert sind, steht Waterhouse neben einem gigantischen Röhrengestell, aus dem Tausende von Kabeln heraushängen.
»Das ist sie?«, fragt Comstock, als endlich alle davor versammelt sind.
Überall auf dem Boden liegen wie Kugellagerkugeln erbsengroße Quecksilbertropfen verstreut. Die flachen Sohlen von Comstocks Schuhen lassen sie zu kleinen Spritzern zerplatzen, die überallhin kullern.
»Das ist sie.«
»Wie haben Sie sie gleich noch mal genannt?«
»Den RAM«, sagt Waterhouse. »Random Access Memory – Direktzugriffsspeicher. Ich wollte auch ein Bild von einem Rammbock draufmalen – sie wissen schon, diese Dinger, mit denen man im Mittelalter Türen eingeschlagen hat.«
»Ja.«
»Aber ich hatte keine Zeit, und im Bildermalen bin ich sowieso nicht so gut.«
Jedes Rohr hat einen Durchmesser von zehn Zentimetern und ist ungefähr zehn Meter lang. Es muss Hunderte davon geben – Comstock versucht sich an das Anforderungsformular zu erinnern, das er vor Monaten unterschrieben hat – Waterhouse hatte so viel Abflussrohr angefordert, dass man damit einen ganzen gottverfluchten Militärstützpunkt hätte kanalisieren können.
Die Rohre sind waagrecht angeordnet wie eine flach gelegte Reihe Orgelpfeifen. Ins Ende jedes Rohrs ist ein kleiner, aus einem alten Radio ausgebauter Papierlautsprecher gesteckt.
»Der Lautsprecher spielt ein Signal – einen Ton -, der in dem Rohr resoniert und eine stehende Welle erzeugt«, sagt Waterhouse. »Das heißt, in manchen Teilen des Rohrs ist der Luftdruck niedrig und in anderen hoch.« Er geht rückwärts an einem der Rohre entlang und macht dabei hackende Handbewegungen. »Diese U-Röhren hier sind voller Quecksilber.« Er deutet auf eine von mehreren U-förmigen Glasröhren, die in das untere Ende des langen Rohrs eingepasst sind.
»So viel ist mir klar,Waterhouse«, sagt Comstock. »Könnten Sie wohl zum Nächsten weitergehen?«, bittet er, während er über die Schulter des Fotografen hinweg in den Sucher der Kamera späht. »Sie versperren mir die Sicht – schon besser – weiter – weiter« – denn er kann immer noch Waterhouses Schatten sehen -, »so ist es gut. Knipsen!«
Der Fotograf drückt auf den Auslöser. Das Blitzlicht blitzt.
»Wenn der Luftdruck im Rohr hoch ist, schiebt er das Quecksilber ein Stück weit hinunter. Wenn er niedrig ist, saugt er das Quecksilber hinauf. Ich habe einen elektrischen Kontakt in jede U-Röhre eingebaut – einfach zwei Kabel mit einem Abstand dazwischen.Wenn diese Kabel trocken liegen (zum Beispiel, weil niedriger Lufdruck im Rohr das Quecksilber von ihnen wegdrückt), fließt kein Strom. Wenn sie aber in das Quecksilber eingetaucht werden (weil der niedrige Luftdruck im Rohr das Quecksilber zu ihnen hinsaugt, sodass es sie bedeckt), dann fließt ein Strom, weil Quecksilber Elektrizität leitet! Die U-Röhre erzeugt also eine Reihe binärer Zahlen, die gleichsam ein Bild der stehenden Welle sind – ein Graph der Teiltöne, die den Ton ausmachen, der auf dem Lautsprecher gespielt wird. Diesen Vektor wiederum geben wir in den Oszillatorkreis ein, der den Lautsprecher antreibt, sodass der Vektor von binären Zahlen sich fortwährend selbst erneuert, bis die Maschine beschließt, ihm ein neues Muster von binären Zahlen einzuschreiben.«
»Ach so, dann können die ETC-Geräte dieses Ding tatsächlich steuern?«, fragt Comstock.
Wieder dieses Lachen. »Aber das ist
Weitere Kostenlose Bücher