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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Informationen unwiderruflich verändert, und wenn wir das zu beobachtende Verhalten Rabauls vor dieser Veränderung mit dem danach vergleichen, können wir Schlüsse ziehen.«
    »Zum Beispiel?«, fragt Comstock argwöhnisch.
    Waterhouse zuckt die Achseln. »Die Unterschiede sind sehr gering. Sie heben sich kaum vom allgemeinen Rauschen ab. Im Laufe des Krieges sind von Tokio einunddreißig Azure-Funksprüche ausgegangen, also habe ich entsprechend viele Datengruppen, mit denen ich arbeiten kann. Eine einzelne Datengruppe würde mir, für sich genommen, vielleicht gar nichts sagen. Aber wenn ich alle Datengruppen miteinander kombiniere – und so eine größere Tiefe bekomme -, kann ich Muster erkennen. Und ein Muster, das ich ganz eindeutig erkenne, besteht darin, dass an dem Tag, nachdem ein Azure-Funkspruch nach, sagen wir, Rabaul gegangen war, Rabaul mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit Funksprüche gesendet hat, die mit Bergbauingenieuren zu tun hatten. Das hat Weiterungen, die sich den ganzen Weg zurückverfolgen lassen, bis sich die Schleife schließt.«
    »Bis sich die Schleife schließt?«
    »Okay. Betrachten wir das Ganze von der Spitze her. Ein Azure-Funkspruch geht von Tokio nach Rabaul«, sagt Waterhouse und zieht einen dicken Strich über die Tafel, der die beiden Städte miteinander verbindet. »Am nächsten Tag geht ein Funkspruch in einem anderen Kryptosystem – einem, das wir geknackt haben – von Rabaul an ein Unterseeboot, das von einer Basis aus operiert, die hier, auf den Molukken, liegt. Der Funkspruch besagt, dass das Unterseeboot einen Vorposten an der Nordküste von Neuguinea anlaufen und dort vier Leute aufnehmen soll, die namentlich genannt werden. Dank unserer Archive wissen wir, wer diese Männer sind: drei Flugzeugmechaniker und ein Bergbauingenieur. Ein paar Tage später sendet das Unterseeboot von der Bismarck-See aus und meldet, dass es die betreffenden Männer aufgenommen hat. Wieder ein paar Tage später teilen unsere Spione im Hafen von Manila uns mit, dass ebendieses Unterseeboot dort eingetroffen ist. Am selben Tag wird ein weiterer Azure-Funkspruch von Manila nach Tokio gesendet«, endet Waterhouse, während er dem Vieleck eine letzte Linie anfügt, »und die Schleife schließt sich.«
    »Aber bei alledem könnte es sich um eine Reihe zufälliger, nicht miteinander zusammenhängender Ereignisse handeln«, sagt eine von Comstocks Mathe-Kanonen, ehe Comstock es sagen kann. »Die Nips brauchen dringend Flugzeugmechaniker. An einem solchen Funkverkehr ist nichts Ungewöhnliches.«
    »Aber an den Mustern schon«, sagt Waterhouse. »Wenn ein paar Monate später auf die gleiche Weise wieder ein Unterseeboot losgeschickt wird, um ein paar Bergbauingenieure und Landvermesser aufzunehmen, die in Rabaul festsitzen, und wenn bei seinem Eintreffen in Manila wieder ein Azure-Funkspruch von Manila nach Tokio gesendet wird, dann sieht die Geschichte allmählich sehr verdächtig aus.«
    »Ich weiß nicht«, sagt Comstock und schüttelt den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das dem Generalstab verkaufen kann. Das Ganze ist doch eher ein Herumgestochere im Nebel.«
    »Korrektur, Sir, es war ein Herumgestochere im Nebel. Aber mittlerweile hat sich der Nebel gelichtet und wir sehen klar!« Waterhouse stürmt aus dem Zimmer und den Flur entlang zu seinem Labor – das den halben Flügel einnimmt. Nur gut, dass Australien ein großer Kontinent ist, denn Waterhouse wird ihn komplett mit Beschlag belegen, falls man ihn nicht in Schach hält. Fünfzehn Sekunden später ist er mit einem dreißig Zentimeter hohen Stapel ETC-Karten zurück, die er auf den Tisch knallt. »Da steht alles drin.«
    Comstock hat noch nie im Leben eine Waffe abgefeuert, aber Kartenloch- und -lesegeräte kennt er, wie ein Frontschwein seine Springfield kennt, und er ist nicht beeindruckt. »Waterhouse, dieser Kartenstapel enthält ungefähr so viele Informationen wie ein Brief nach Hause an Mom. Wollen Sie mir weismachen -«
    »Nein, das ist bloß die Zusammenfassung. Das Ergebnis der statistischen Analyse.«
    »Warum haben Sie das denn in ETC-Karten gelocht? Warum legen Sie nicht schlicht und einfach einen getippten Bericht vor, so wie jeder andere?«
    »Ich habe das nicht gelocht«, sagt Waterhouse. »Das war die Maschine.«
    »Das war die Maschine«, wiederholt Comstock ganz langsam.
    »Ja. Als sie mit der Durchführung der Analyse fertig war.« Unvermittelt brichtWaterhouse in sein wieherndes Gelächter aus.

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