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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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es nur sehr widerstrebend. Sie hätten bereitwillig einen Strand mit ihm gestürmt, aber das hier war etwas anderes: Sie schickten ihn in gefährliche Nähe zu SOWESPAC, dem Südwestpazifischen Kriegsschauplatz, der Domäne Des Generals. Noch heute, ein paar Jahre nachdem Der General sie schlecht bewaffnet und schlecht unterstützt auf Guadalcanal ins Gefecht geschickt hatte, verbrachten Marines annähernd fünfzig Prozent ihrer wachen Stunden damit, dass sie darüber redeten, was für ein schlechter Mensch er war. Er sei der heimliche Besitzer von halb Intramuros. Das spanische Gold, das sein Vater als Gouverneur der Philippinen ausgegraben habe, habe ihn zum Milliardär gemacht. Quezon habe ihn für die Zeit nach dem Krieg heimlich zum Diktator des Archipels ernannt. Der General wolle als Präsident kandidieren, und um dieWahlen zu gewinnen, wolle er, bloß damit F.D.R. schlecht dastehe, anfangen, Schlachten zu verlieren, und die Schuld den Marines in die Schuhe schieben. Und wenn das nicht funktioniere, werde er in die Staaten zurückkehren und einen Staatsstreich inszenieren. Der – gegen eine gewaltige gegnerische Übermacht – vom United States Marine Corps zurückgeschlagen werde. Semper Fi!
    Jedenfalls schafften seine Kameraden ihn nach Neukaledonien. Noumea ist eine hübsche französische Stadt mit breiten Straßen und Gebäuden mit Blechdächern, die auf einen großen Hafen hinausgehen, der von gewaltigen Nickel- und Chromerzhalden aus den riesigen Minen im Inselinneren gesäumt wird. Die Inselbevölkerung besteht zu ungefähr je einem Drittel aus Freien Franzosen (überall hängen Bilder von de Gaulle), amerikanischen Militärangehörigen und Kannibalen. Es heißt, die Kannibalen hätten seit siebenundzwanzig Jahren keine Weißen mehr gefressen, und so fühlt sich Bobby Shaftoe, wenn er am Strand schläft, fast ebenso sicher wie in Schweden.
    Doch als er in Noumea eintraf, stieß er auf ein Hindernis, das undurchlässiger war als jede Backsteinmauer: die imaginäre Linie zwischen dem Pazifischen Kriegsschauplatz (Nimitz’ Revier) und SOWESPAC. Brisbane, das Hauptquartier Des Generals, liegt (nach pazifischen Maßstäben) nur einen Katzensprung in ungefähr westliche Richtung entfernt.Wenn er dort hinkommen und seinen Text aufsagen kann, wird alles gut.
    In den ersten zwei Wochen am Strand ist er blödsinnig optimistisch. Dann ist er ungefähr einen Monat lang deprimiert und glaubt, dass er nie von hier wegkommt. Schließlich berappelt er sich und fängt wieder an, Flexibilität zu zeigen. An Bord eines Schiffes zu kommen hat nicht geklappt. Aber hier herrscht ungeheuer viel Luftverkehr. Wie es scheint, mag Der General Flugzeuge. Shaftoe fängt an, Fliegern hinterher zu zockeln. Die MPs ignorieren ihn und in einen Unteroffiziersclub der Army kommt er ums Verrecken nicht hinein.
    Aber ein Unteroffiziersclub hat ein streng begrenztes Unterhaltungsangebot. Kunden, denen der Sinn nach ausgefalleneren Genüssen steht, müssen die von sturen MPs definierte Sphäre verlassen und in die zivile Ökonomie eintreten. Und wenn geile, gut besoldete amerikanische Flieger in eine je zur Hälfte von Kannibalen und Franzosen bestimmte Kultur geraten, entsteht eine heftig boomende zivile Ökonomie. Shaftoe sucht sich, die Taschen mit Zigarettenpäckchen voll gestopft (die Marines auf Kwaj haben ihn mit einem Lebensvorrat versorgt), einen Beobachtungspunkt vor dem Tor einer Luftwaffenbasis, pflanzt sich dort auf und wartet. In Zweier- und Dreiergruppen kommen Flieger heraus. Shaftoe sucht sich die Sergeants aus, folgt ihnen in Bars und Bordelle, setzt sich so, dass sie ihn sehen, beginnt Kette zu rauchen. Nicht lange, und sie kommen herüber und schnorren Zigaretten von ihm. So kommt man ins Gespräch.
    Sobald er diese Übung raushat, lernt er in rasender Eile eine Menge über die Fifth Air Force und gewinnt eine Menge Freunde. Wenige Wochen später zieht er das große Los. Um ein Uhr morgens in einer mondlosen Nacht überklettert er den Zaun des Flugplatzes, robbt ungefähr eine Meile weit den Seitenstreifen einer Startbahn entlang und schafft es gerade noch zu seinem Treffen mit der Crew der Tipsy Tootsie, einer B-24 Liberator mit Flugziel Brisbane. Er sieht sich ziemlich umstandslos in die Glaskuppel am Schwanz des Flugzeugs, die hintere Gefechtskanzel, gestopft. Ihr Zweck besteht natürlich darin, Zeros abzuschießen, die in aller Regel von hinten angreifen. Aber die Crew der Tipsy Tootsie scheint davon auszugehen,

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