Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
am Berg. In dem Bemühen, den Eindruck zu erwecken, als wäre das Haus tatsächlich bewohnt, hat man heillos übertrieben. Shaftoe kann Möbel und alles Drum und Dran sehen. Die Wände sind von Geschossspuren schraffiert. Man hat sogar eine Schaufensterpuppe mit einem Morgenrock aus rosa Seide, Maiskolbenpfeife und Pilotenbrille auf den Balkon gestellt, die mit einem Fernglas die Bucht absucht. Sosehr es ihm missfällt, irgendetwas, was die Army tut, gutzuheißen, muss Shaftoe über diesen witzigen Einfall unwillkürlich laut lachen. Militärischer Humor vom Feinsten. Unglaublich, dass sie sich das haben leisten können. Unten stehen ein paar Pressefotografen, die Bilder von der Szene machen.
    Mitten auf dem ungepflasterten Parkplatz des Hauses stellt er die Füße weit auseinander und zeigt der Schaufensterpuppe seinen Mittelfinger. He, Arschloch, das ist von den Marines auf Kwajalein! Verdammt, tut das gut!
    Die Schaufensterpuppe dreht sich und richtet das Fernglas direkt auf Bobby Shaftoe, der, wie vom Blick eines Basilisken gebannt, in seiner Stinkefinger-Pose erstarrt. Weit unten beginnen Luftschutzsirenen zu jaulen und zu heulen.
    Das Fernglas löst sich von der Sonnenbrille. Aus der Pfeife pufft ein Rauchwölkchen. Der General legt einen sarkastischen Gruß hin. Shaftoe denkt daran, den Finger einzuziehen, dann verharrt er so reglos wie ein toter Mahagonibaum.
    Der General nimmt die Pfeife aus dem Mund, damit er »Magandang gabi« sagen kann.
    »Sie meinen ›magandang umaga‹«, sagt Shaftoe. » Gabi heißt Nacht und umaga heißt Morgen.«
    Das Dröhnen von Flugzeugmotoren ist jetzt ganz deutlich zu hören. Die Pressefotografen beschließen zusammenzupacken und verschwinden ins Haus.
    »Wenn Sie von Manila aus Richtung Norden nach Lingayen fahren und zu der Gabelung bei Tarlac kommen und sich dort rechts halten und durch das Röhricht weiter Richtung Urdaneta fahren, welches Dorf erreichen Sie dann als Erstes?«
    »Das ist eine Fangfrage«, sagt Shaftoe. »Nördlich von Tarlac gibt’s kein Röhricht, bloß Reisfelder.«
    »Hmm. Sehr gut«, sagt Der General brummig. Unten eröffnen die Fliegerabwehrkanonen mit gewaltigem Knattern das Feuer; aus dieser Entfernung hört es sich an, als würde die Nordküste von Neuguinea mit Presslufthämmern ins Meer befördert. Der General ignoriert das Ganze.Wenn er nur so täte, als ignoriere er es, würde er zumindest zu den anfliegenden Zeros hinsehen, damit er, wenn es zu gefährlich wird, aufhören könnte, so zu tun, als ignoriere er sie. Aber er sieht nicht einmal hin. Shaftoe zwingt sich, ebenfalls nicht hinzusehen. Der General stellt ihm auf Spanisch eine ellenlange Frage. Er hat eine wunderschöne Stimme. Er hört sich an, als stünde er in einer schalltoten Kabine in New York oder Hollywood und verläse eine Nachrichtenmeldung über seine eigene Großartigkeit.
    »Wenn Sie rauskriegen wollen, ob ich hablo Español, lautet die Antwort un poquito«, sagt Shaftoe.
    Der General legt gereizt die Hand hinters Ohr. Er kann nichts außer den beiden Zeros hören, die mit ungefähr dreihundert Meilen pro Stunde auf ihn und Shaftoe zuhalten und dabei mit dichten Strömen von 12,7-Millimeter-Geschossen tonnenweise Biomasse verflüssigen. Er behält Shaftoe scharf im Auge, während ein Kugelstrom über den Parkplatz harkt und Shaftoes Hosenbeine mit Schlamm bespritzt. Die Geschosslinie knickt plötzlich rechtwinklig nach oben ab, als sie die Hausmauer erreicht, flitzt geradewegs daran hoch, reißt dreißig Zentimeter von der Stelle, wo die Hand Des Generals liegt, ein Stück aus dem Balkongeländer, zertrümmert im Haus einen Haufen Mobiliar, überquert dann das Dach und verschwindet.
    Nun, da die Flugzeuge über ihn hinweggeflogen sind, kann Shaftoe ihnen nachschauen, ohne sich darum Gedanken machen zu müssen, dass er Dem General den Eindruck vermittelt, er sei so was wie eine feige Schwuchtel. Die Fleischklopse auf ihren Flügeln verbreitern sich und leuchten auf, als sie scharf – schärfer als jedes amerikanische Flugzeug – in Querlage gehen und zu einem zweiten Versuch zurückkommen.
    »Ich habe gesagt -«, beginnt Der General. Doch dann wird die Luft von einer Reihe bizarrer, schwirrender Geräusche zerrissen. Plötzlich stößt es eines der Fenster aus dem Rahmen. Von drinnen hört Shaftoe einen dumpfen Knall und das Geräusch zerbrechenden Geschirrs. Zum ersten Mal legt Der General ein gewisses Bewusstsein dafür an den Tag, dass ein Gefecht im Gange ist. »Lassen

Weitere Kostenlose Bücher