Cryptonomicon
nicht.«
»Eine Ewigkeit? Wirklich?«
»Ja.«
»Wie lange?«
»Na ja, als ich Robin das letzte Mal gesehen hab, war er gerade im Kindergarten. Bei M.A. ist es noch nicht so lange her – vermutlich war er da acht oder zehn.«
»Und wie sind Sie noch mal mit ihnen verwandt?«
»Ich glaube, Robin ist mein Cousin zweiten Grades. Und M.A.s Verwandtschaft mit mir könnte ich Ihnen auch erklären, aber da würden Sie anfangen herumzurutschen und laut aufzuseufzen, bevor ich auch nur zur Hälfte durch wäre.«
»Für diese Jungs sind Sie also eine entfernte Verwandte, die sie als ganz kleine Jungs ein oder zwei Mal gesehen haben.«
Amy zuckt die Schultern. »Ja.«
»Und was hat die beiden geritten, hier runterzukommen?«
Amy guckt ihn groß an.
»Ich meine«, sagt Randy, »nach ihrem Verhalten zu urteilen, als sie direkt aus Tennessee mit quietschenden Reifen in meinen Vorgarten gedüst kamen und aus ihrem heißen, mit einer Insektenkruste überzogenen Gefährt stiegen, bestand das oberste Ziel ihrer Mission doch offensichtlich darin sicherzustellen, dass die Blume der Weiblichkeit unter den Shaftoes mit aller ihr gebührenden Achtung, Zurückhaltung, Ehrerbietung und so weiter behandelt wird.«
»So? Das ist aber nicht ganz die Schwingung, die ich mitbekommen habe.«
»Ach nein ? Wirklich?«
»Nein. Meine Familie hält zusammen, Randy. Nur weil wir uns ein Weilchen nicht gesehen haben, heißt das nicht, dass unsere Verpflichtungen hinfällig geworden sind.«
»Damit ziehen Sie implizit einen Vergleich zu meiner Familie hier, auf die ich nicht so scharf bin und über die wir vielleicht später reden sollten. Aber was immer zu diesen Verpflichtungen gehören mag, ich bin mir ganz sicher, dass eine darin besteht, Ihre hypothetische Jungfräulichkeit zu bewahren.«
»Wer sagt denn, dass sie hypothetisch ist?«
»Für die beiden muss sie hypothetisch sein, sie haben von Ihrem Leben doch kaum etwas mitbekommen. Das ist alles, was ich damit sagen will.«
»Ich finde, Sie bauschen Ihre Wahrnehmung des sexuellen Aspekts dieser Angelegenheit maßlos auf«, sagt Amy. »Was für einen Typen völlig normal ist und ich denke deshalb auch nicht schlechter von Ihnen.«
»Amy, Amy. Haben Sie das Ganze mal mathematisch betrachtet?«
»Mathematisch?«
»Rechnet man die Fahrt durch den Verkehr von Manila zum NAIA, die Abfertigung und die Zollformalitäten am SFO mit, hat meine Reise von Manila nach San Francisco mich insgesamt etwa achtzehn Stunden gekostet. Sie zwanzig. Dann noch mal vier bis zu meinem Haus. Acht Stunden nach unserer Ankunft sind mitten in der Nacht Robin und Marcus Aurelius aufgetaucht. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass der Nachrichtendienst der Familie Shaftoe mit Lichtgeschwindigkeit funktioniert, bedeutet das, dass diese Jungs etwa zu der Zeit, als Sie in Manila von der Glory IV hüpften und in ein Taxi sprangen und die beiden gerade vor ihrem Wohnwagen in Tennessee Körbe warfen, eine Kurzmeldung erhielten, derzufolge eine weibliche Shaftoe sich in einer Art männerbedingten persönlichen Notlage befand.«
»Ich hab von der Glory aus eine E-Mail geschickt«, erklärt Amy.
»An wen?«
»Die Shaftoe-Mailingliste.«
»Das darf nicht wahr sein!«, entfährt es Randy und er schlägt sich gegen die Stirn. »Und was stand da drin?«
»Weiß nicht mehr«, erwidert Amy. »Dass ich auf dem Weg nach Kalifornien bin. Hab vielleicht eine indirekte Bemerkung über einen jungen Mann gemacht, mit dem ich reden wollte. War zu der Zeit ziemlich sauer und weiß nicht mehr genau, was ich gesagt hab.«
»Bestimmt haben Sie so was gesagt wie ›Ich fliege nach Kalifornien, wo Randall Lawrence Waterhouse, der AIDS hat, mich gleich bei der Ankunft zum Analverkehr zwingen wird‹.«
»Nein, nichts dergleichen.«
»Ich vermute, jemand hat es zwischen den Zeilen gelesen. Jedenfalls kommt Ma oder Tante Em oder sonst jemand zur Seitentür raus und schüttelt sich das Mehl von der Gingham-Schürze – so stelle ich mir das vor.«
»Das merke ich.«
»Und sie sagt: ›Jungs, eure soundsovielte Cousine vierten Grades, America Shaftoe, hat uns von Onkel Dougs Boot im Chinesischen Meer aus eine E-Mail geschickt, in der steht, dass sie irgendwie mit einem jungen Mann im Clinch liegt und es nicht ausgeschlossen ist, dass sie jemanden zur Unterstützung gebrauchen könnte. In Kalifornien. Würdet ihr einen Schwenk rüber machen und bei ihr vorbeischauen? ‹ Und sie legen ihren Basketball weg und sagen: ›Ja, Ma’am,
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