Cryptonomicon
See geschaffen hätte.
Er findet den Felsblock, den er braucht, ungefähr einen Kilometer flussaufwärts mitten im Flussbett. Dynamit würde ihn lediglich zertrümmern, also holt er einen Trupp stämmiger Arbeiter mit Stemmeisen heran und sie bringen ihn ins Rollen. Er rollt ein paar Meter und kommt zum Stehen.
Das ist entmutigend, aber die Arbeiter wissen nun, worum es geht. Ihr Anführer ist Wing – der kahlköpfige Chinese, der Goto Dengo geholfen hat, die Leiche von Lieutenant Ninomiya zu begraben. Er besitzt die bei Kahlköpfigen häufig zu beobachtende geheimnisvolle Körperkraft, und er übt einen geradezu mesmerischen Einfluss auf die anderen Chinesen aus. Irgendwie gelingt es ihm, sie dafür zu begeistern, dass sie den Felsblock bewegen. Natürlich müssen sie ihn bewegen, weil Goto Dengo hat wissen lassen, dass er ihn bewegt haben will, und wenn sie es nicht tun, werden Lieutenant Moris Wachen sie auf der Stelle erschießen. Doch darüber hinaus scheinen sie die Herausforderung willkommen zu heißen. Und in kühlem, fließendem Wasser zu stehen ist allemal besser, als unten in den Schächten von Golgatha zu arbeiten.
Drei Tage später ist der Felsblock an Ort und Stelle. Das Wasser fließt um ihn herum. Weitere Felsblöcke folgen und der Fluss beginnt sich aufzustauen. Da Seen normalerweise keine Bäume entsprießen, lässt Goto die hier vorhandenen von Arbeitern fällen – allerdings nicht mit Äxten. Er zeigt ihnen, wie sie – ähnlich Paläontologen, die ein Skelett ausgraben – nacheinander die Wurzeln freilegen müssen, damit es so aussieht, als wären die Bäume bei einem Wirbelsturm aus dem Boden gerissen worden. Sie werden an die Felsblöcke geschichtet und es folgen kleinere Steine und Kies. Plötzlich beginnt der Wasserspiegel des Yamamoto-Sees zu steigen. Der Damm leckt, aber die Lecks verschlicken, während dahinter noch mehr Kies und Lehm angeschüttet werden. Goto Dengo ist sich nicht zu gut, schwer abzudichtende Löcher mit Blechplatten zu verschließen, solange es nur weit unten geschieht, wo kein Mensch es je sehen wird. Als der See die gewünschte Höhe erreicht hat, deutet nur noch eines darauf hin, dass er künstlichen Ursprungs ist, nämlich zwei Kabel, die sich von unten an sein Ufer heranschlängeln und in Sprengladungen enden, die in den Betonpfropfen auf seinem Grund eingegossen sind.
Golgatha ist in einen Basalt-Höhenzug eingeschnitten, der – wie eine vorspringende Wurzel vom Stamm eines Dschungelbaums – aus dem Fuß des Berges heraustritt, der die Wasserscheide zwischen Yamamoto und Tojo bildet. Wenn man sich somit vom Gipfel des Kalvarienberges aus südwärts bewegte, würde man zunächst das von Leben wimmelnde Becken des erloschenen Kraters durchqueren, um dann über die Reste des Südrandes hinweg auf den sanft abfallenden Hang eines viel größeren Berges zu gelangen, auf dem der Aschekegel des Kalvarienberges bloß eine Verunstaltung, wie eine Warze auf einer Nase, darstellt. Der kleine Yamamoto verläuft im Wesentlichen parallel zum Tojo auf der anderen Seite des Basalt-Höhenzuges, aber er fällt sanfter ab, sodass der Höhenunterschied zum Tojo immer mehr zunimmt, je weiter sich beide den Berg hinunterarbeiten. Am Yamamoto-See beträgt er fünfzig Meter. Indem man den Verbindungstunnel statt genau nach Osten in südöstlicher Richtung unter dem Höhenzug hindurch vortreibt, lassen sich eine Kette von Stromschnellen und ein Wasserfall im Tojo, durch die er fast hundert Meter unter den Seegrund abfällt, umgehen.
Als der General kommt, um die Arbeiten zu inspizieren, kann er zu seinem Erstaunen in demselben Mercedes, der ihn von Manila herbefördert hat, mit Goto Dengo am Tojo entlang bergauf fahren. Mittlerweile haben die Arbeiter einen einspurigen Fahrweg gebaut, der vom Gefangenenlager aus durch das steinige Flussbett nach Golgatha hinaufführt. »Das Glück hat unserem Unternehmen gelächelt und uns einen trockenen Sommer beschert«, erklärt Goto Dengo. »Bei niedrigem Wasserstand gibt das Flussbett einen idealen Fahrweg ab – der Anstieg ist sanft genug für die schweren Lkws, die wir einsetzen werden. Wenn wir fertig sind, werden wir in der Nähe der Baustelle einen niedrigen Damm errichten, der die deutlichsten Spuren unserer Arbeit verbergen wird. Wenn der Fluss auf seine normale Höhe steigt, wird nicht mehr zu erkennen sein, dass hier jemals Menschen waren.«
»Ein guter Gedanke«, räumt der General ein und murmelt dann seinem Adjutanten etwas in
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