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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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glücklich sein könnte, zu bleiben. Hinter ihm sprechen Chester und Amy immer wieder das Wort »Manila« aus und es klingt in seinen Ohren lächerlich idiotisch und schwer erreichbar. Randy glaubt, dass er geringfügig schlauer ist als Chester und, wenn er nur hier bliebe, noch reicher wäre.
    Ein schnelles weißes Boot kommt aus Richtung Mercer Island um die Landspitze gedüst und schwenkt in leichter Schräglage auf ihn zu. Randy stellt seinen kalt gewordenen Kaffee ab, geht nach draußen zu seinem Auto und holt einen bestimmten Schrankkoffer heraus – ein schönes Geschenk von einer hocherfreuten Tante Nina. Es ist voll mit bestimmten alten Schätzen, wie etwa den Physikheften seines Großvaters aus der High School. Randy stellt (zum Beispiel) eine Schachtel mit der Aufschrift HARVARD-WATERHOUSE, DIE HERAUSFORDERUNG DER PRIMFAKTORZERLEGUNG’49-52 beiseite, unter der ein Stapel Backsteine zum Vorschein kommt, die ordentlich in vom Alter golden gewordenes Papier gewickelt sind. Jeder besteht aus einem kleinen Stoß ETC-Karten und trägt die Aufschrift ARETHUSA FUNKSPRÜCHE mit einem Datum von 1944 oder 1945. Über vierzig Jahre waren sie scheintot, auf einem toten Medium gespeichert, und jetzt wird Randy ihnen wieder Leben einhauchen, sie vielleicht ins Internet hinausschicken, ein paar Stränge fossiler DNS, die aus ihren Bernsteinhüllen herausgebrochen und wieder in die Welt entlassen werden.
    Vermutlich werden sie es nicht schaffen und sterben, aber wenn sie aufblühen, dürfte sich Randys Leben etwas interessanter gestalten. Nicht dass es jetzt uninteressant wäre, aber es ist leichter, sich neue Schwierigkeiten einzuhandeln, als die alten zu lösen.

Fels
    Bundok ist guter Fels; wer immer den Ort ausgesucht hat, muss das gewusst haben. Der Basalt ist so stark, dass Goto Dengo jedes beliebige Tunnelsystem hineinbohren kann, das ihm vorschwebt. Solange er ein paar Grundprinzipien der Ingenieurskunst beachtet, braucht er sich über einstürzende Gänge keine Gedanken zu machen.
    Natürlich ist es harte Arbeit, Löcher in solchen Fels zu schneiden. Aber Hauptmann Noda und Lieutenant Mori haben ihn mit einem unbegrenzten Vorrat an chinesischen Arbeitern versorgt. Zuerst übertönt das Knattern ihrer Bohrer die Geräusche des Dschungels. Später, als sie sich in die Erde graben, schwindet es zu einem dumpfen, erstickten Hämmern, sodass nur das summende Dröhnen der Kompressoren bleibt. Selbst nachts arbeiten sie bei trübem Laternenlicht, das den Baldachin über ihnen nicht durchdringen kann. Nicht, dass MacArthur mitten in der Nacht Aufklärungsflugzeuge nach Luzon schickt, aber das Leuchten von Arbeitslampen auf dem Berg würde den Filipinos im Flachland auffallen.
    Der schräge Schacht, der den Grund des Yamamoto-Sees mit Golgatha verbindet, ist bei weitem der längste Teil des Komplexes, braucht aber keinen großen Durchmesser: nur eben so viel, dass sich ein einzelner Arbeiter bis zum Ende durchwinden und seinen Bohrer bedienen kann. Ehe der See angelegt wird, lässt Goto Dengo von einem Arbeitstrupp das äußerste obere Ende dieses Schachts graben, der mit einem Neigungswinkel von einigen zwanzig Grad vom Flussufer weg nach unten verläuft. Diese Ausgrabung füllt sich ständig mit Wasser – sie ist effektiv ein Brunnen – und den Abraum zu entfernen ist reiner Mord, weil alles bergauf geschleppt werden muss. Deshalb lässt Goto Dengo die Öffnung mit Steinen und Mörtel verschließen, als der Schacht ungefähr fünf Meter vorgetrieben ist.
    Dann lässt er die Latrinen zuschütten und das Gelände um den See von Arbeitern räumen. Nun können sie nur noch die Spuren ihrer Anwesenheit verwischen. Der Sommer, auf Luzon die Regenzeit, ist gekommen und Goto Dengo macht sich Sorgen, dass der Regen die von den Füßen der chinesischen Arbeiter in die Erde getrampelten Furchen finden und in Wasserrinnen verwandeln wird, die sich unmöglich verbergen lassen. Aber das ungewöhnlich trockene Wetter hält an und auf dem kahlen Boden schlagen Pflanzen rasch Wurzeln.
    Goto Dengo sieht sich einer Herausforderung gegenüber, die einem Landschaftsgärtner in seiner Heimat völlig vertraut vorkäme: Er muss ein künstliches Gebilde schaffen, das natürlich wirkt. Es muss so aussehen, als wäre nach einem Erdbeben ein Felsblock den Berg heruntergerollt und hätte sich in einer Engstelle des Yamamoto verkeilt. Weiteres Gestein und die Stämme toter Bäume hätten sich daran aufgehäuft und einen Naturdamm gebildet, der den

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