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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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über der Wasseroberfläche genau auf die Nevada zuhalten. Jedes wirft ein langes, schlankes Ei ab, dann bewegen sich deutlich erkennbar ihre Leitwerke und sie ziehen hoch und fliegen über das Schiff hinweg. Die aufgehende Sonne scheint direkt durch das Glas ihrer Kanzeln. Lawrence kann dem Piloten des einen Flugzeuges in die Augen sehen. Er bemerkt, dass es sich offenbar um einen Herrn asiatischer Herkunft handelt.
    Das Ganze ist eine unglaublich realistische Übung – bis hin zu dem Umstand, dass ethnisch passende Piloten eingesetzt und auf den Schiffen Manöver-Sprengkörper zur Explosion gebracht werden. Lawrence billigt das voll und ganz. Es ist hier einfach zu lax zugegangen.
    Ein ungeheurer Stoß durchfährt das Deck des Schiffes, sodass Lawrences Füße und Beine sich anfühlen, als wäre er von einem drei Meter hohen Vorsprung auf soliden Beton gesprungen. Dabei steht er einfach nur plattfüßig da. Er kann sich das Ganze nicht erklären.
    Die Kapelle ist mit der Nationalhymne fertig und betrachtet das Spektakel um sie herum. Überall, auf der Nevada, auf der nebenan liegenden Arizona und auf Gebäuden an Land heulen Sirenen und Signalhörner los. Lawrence sieht keinerlei Flugabwehrfeuer, keinerlei vertraute Flugzeuge in der Luft. Die Explosionen setzen sich einfach fort. Lawrence schlendert zur Reling hinüber und starrt über ein paar Meter offenes Wasser hinweg zur Arizona hinüber.
    Wieder wirft eines der sich herabstürzenden Flugzeuge ein Projektil ab, das geradewegs auf das Deck der Arizona heruntersaust, dann jedoch seltsamerweise verschwindet. Lawrence blinzelt und sieht, dass es ein sauberes, bombenförmiges Loch in das Deck gestanzt hat, genau wie eine Figur in einem hektischen Warner-Brothers-Cartoon, die mit Höchstgeschwindigkeit durch eine ebene Fläche wie etwa eine Wand oder eine Decke bricht. Ungefähr eine Mikrosekunde lang schießt Feuer aus dem Loch, ehe das ganze Deck sich aufwölbt, zerbirst und sich in eine schwellende Kugel aus Feuer und Schwärze verwandelt. Verschwommen nimmt Waterhouse wahr, dass eine Menge Zeug rasend schnell auf ihn zukommt. Die Masse ist so groß, dass er sich eher so vorkommt, als fiele er hinein. Er erstarrt. Sie fliegt an ihm vorbei, über ihn hinweg, durch ihn hindurch. Ein schrecklicher Lärm durchbohrt seinen Schädel, ein aufs Geratewohl angeschlagener Akkord, misstönend, aber nicht ohne so etwas wie eine verrückte Harmonie. Von den musikalischen Qualitäten abgesehen, ist das Geräusch so verflucht laut, dass es ihn fast umbringt. Er schlägt sich die Hände über die Ohren.
    Der Lärm bleibt, wie glühend heiße Stricknadeln durch die Trommelfelle. Er taumelt davon weg, doch der Lärm folgt ihm. Lawrence trägt einen dicken, breiten Gurt um den Hals, der auf Unterleibshöhe zusammengenäht ist und einen Becher hält. In diesem Becher steckt die Mittelstange seines Glockenspiels, das wie ein leierförmiger Brustharnisch mit flauschigen, lustig baumelnden Troddeln an den oberen Ecken vor ihm steht. Eigenartigerweise brennt eine der Troddeln. Mit dem Glockenspiel stimmt allerdings so einiges nicht, doch was genau, kann er nicht recht ausmachen, weil ihm ständig etwas die Sicht verdeckt, das er alle paar Augenblicke wegwischen muss. Er weiß nur, dass das Glockenspiel ein riesiges Quantum Energie aufgenommen hat und in einen unglaublichen Extremzustand versetzt worden ist, wie er mit einem solchen Instrument noch nie erreicht wurde; es ist ein brennendes, glühendes, gellendes, dröhnendes, strahlendes Monstrum, ein Komet, ein Erzengel, ein an seinen Körper geschnallter Baum aus brennendem Magnesium, der auf seinem Unterleib steht. Diese Energie wird über die summende, brummende Mittelachse und durch den Becher in seine Genitalien übertragen, die unter anderen Umständen anschwellen würden.
    Lawrence streift einige Zeit ziellos über das Deck. Irgendwann muss er helfen, für ein paar Männer eine Luke zu öffnen, und dabei wird ihm bewusst, dass er sich immer noch die Ohren zuhält, und das schon seit geraumer Zeit, außer wenn er sich die Augen auswischt. Als er die Hände herunternimmt, ist das Dröhnen verstummt und er hört keine Flugzeuge mehr. Eigentlich will er sich unter Deck flüchten, weil die üblen Dinger vom Himmel regnen und er gern ein Stück dickes, schweres, haltbar erscheinendes Material zwischen sie und sich brächte, aber eine Menge Seeleute vertreten die gegenteilige Ansicht. Er hört, dass sie von einem, vielleicht auch zwei

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