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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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betreibe sexuellen Missbrauch von Kindern. Dad hatte Privatdetektive engagiert, um Andrew kidnappen zu lassen, und überhäufte ihn dann mit materiellen Besitztümern, um seine größere Liebe zu demonstrieren. Darauf war ein endloser Rechtsstreit entbrannt, in dem Dad ein paar ziemlich windige Psychotherapeuten angeheuert hatte, die Andrew hypnotisieren und dazu bringen sollten, verdrängte Erinnerungen an unaussprechliche, unvorstellbare Horrorerlebnisse auszugraben.
    Das war nur die grobe Zusammenfassung eines merkwürdigen Lebens, von dem Randy im Laufe der Jahre immer nur häppchenweise erfuhr. Später sollte er dann zu dem Schluss kommen, dass Andrews Leben bis in die kleinsten Verästelungen hinein merkwürdig gewesen war. Das heißt, man konnte jedes einzelne Teil davon genau unter die Lupe nehmen und würde feststellen, dass es genau so kompliziert und merkwürdig war wie das Ding insgesamt.
    Jedenfalls war Randy in dieses Leben hineingestolpert und wurde in dessen Merkwürdigkeit verwickelt. Einer der übereifrigen jungen Anwälte aus der Kanzlei von Andrews Vater beschloss als Präventivmaßnahme, Kopien von Randys sämtlichen Dateien zu verlangen, die noch auf dem Computersystem der University of Washington gespeichert waren. Selbstredend stellte er sich dabei ziemlich ungeschickt an, und als die Rechtsabteilung der Universität seine patzigen Briefe bekam, setzte sie ihrerseits sowohl Andrews Anwalt als auch Randy davon in Kenntnis, dass jeder, der das Computersystem der Universität benutzte, um ein kommerzielles Produkt herzustellen, die Einnahmen daraus mit der Universität teilen musste. So bekam Randy jetzt nicht nur von einer, sondern von zwei Gruppen grässlicher Anwälte unheilvolle Briefe. Darauf drohte Andrew, ihn für diesen groben Schnitzer gerichtlich zu belangen, denn dadurch sei sein, Andrews, Anteil auf die Hälfte reduziert worden!
    Schließlich musste Randy, nur um seine Verluste zu begrenzen und sauber aus der Sache herauszukommen, selbst einen Anwalt bemühen. Am Ende beliefen sich die Kosten auf etwas über fünftausend Dollar. Das Programm wurde nie an irgendjemanden verkauft, hätte auch gar nicht verkauft werden können; zu dem Zeitpunkt war es juristisch so belastet, dass man ebenso gut hätte versuchen können, jemandem einen rostigen Volkswagen zu verkaufen, der auseinander genommen worden war und dessen Einzelteile man in Kampfhundezwingern rund um die Welt versteckt hatte.
    Es war die einzige Zeit in seinem Leben, in der er je über Selbstmord nachgedacht hatte. Er dachte nicht angestrengt oder sehr ernsthaft darüber nach, aber immerhin dachte er darüber nach.
    Als alles vorbei war, schickte Avi ihm einen handgeschriebenen Brief, in dem es hieß: »Ich habe gerne Geschäfte mit Dir gemacht und freue mich auf die Fortsetzung unserer Beziehung sowohl als Freunde wie auch, sollten sich Gelegenheiten dazu ergeben, als Kreativpartner.«

Indigo
    Lawrence Pritchard Waterhouse und der Rest der Kapelle stehen eines Morgens an Deck der Nevada, spielen die Nationalhymne und sehen zu, wie das Sternenbanner am Mast emporknattert, als sie sich plötzlich zu ihrer Verblüffung inmitten eines Schwarms von hundertneunzig Flugzeugen unbekannter Bauart wiederfinden. Einige fliegen tief und in horizontaler Bahn, andere stürzen sich aus großer Höhe fast senkrecht nach unten. Letztere sind so schnell, dass man den Eindruck hat, sie fielen auseinander; kleine Stücke lösen sich von ihnen. Es ist ein schrecklicher Anblick – irgendeine heillos schief gegangene Übung. Aber sie fangen sich rechtzeitig aus ihrer selbstmörderischen Flugbahn ab. Die Stücke, die sich von ihnen gelöst haben, fallen glatt und zielgerichtet, ohne zu trudeln und zu flattern, wie es Trümmer täten. Sie regnen überall herab. Eigenartigerweise scheinen sie alle auf die vor Anker liegenden Schiffe zu zielen. Es ist unglaublich gefährlich – jemand könnte getroffen werden! Lawrence ist empört.
    An einem der Schiffe weiter hinten ist ein kurzlebiges Phänomen zu beobachten. Lawrence wendet sich ihm zu, um es sich anzusehen. Es ist die erste Explosion, die er je zu Gesicht bekommt, deshalb braucht er eine ganze Weile, um sie als solche zu erkennen. Er kann auch die schwierigsten Glockenspiel-Partien mit geschlossenen Augen spielen und »The Star Spangled Banner« ist viel leichter zu pingen als zu singen. Sein suchender Blick heftet sich nicht an den Ausgangspunkt der Explosion, sondern an zwei Flugzeuge, die knapp

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