Cryptonomicon
Anachronismus zu gehen, was letztlich auf dasselbe herausgekommen wäre. Die Zeit am Computer zu verbringen, dürfte wohl noch vorteilhafter gewesen sein, denn so hatte er seine zuvor schon recht passablen Fertigkeiten im Programmieren weiter ausfeilen können. Allerdings hatte er das alles in UNIX, einem Betriebssystem für Wissenschaftler und Ingenieure, geschrieben – zu einem Zeitpunkt, wo alles Geld in Personalcomputer ging, kein besonders kluger Schachzug.
Chester und Randy hatten Avi den Spitznamen Avidus, der Gierige, gegeben, denn die Fantasy-Spiele hatten es ihm richtig angetan. Avi hatte immer behauptet, er spiele sie, um zu verstehen, wie die Menschen damals wirklich gelebt hätten; außerdem war er übergenau in Sachen historischer Authentizität. Das war okay; schließlich hatten sie alle ziemlich läppische Rechtfertigungen und Avis profunde Kenntnisse in Geschichte erwiesen sich immer wieder als nützlich.
Bald darauf machte Avi seinen Abschluss und verschwand, um ein paar Monate später in Minneapolis wieder aufzutauchen, wo er eine Stelle bei einem großen Fantasy-Rollenspiel-Verleger bekommen hatte. Er bot an, Randys Spielsoftware für den erstaunlich hohen Betrag von eintausend Dollar zuzüglich einer kleinen Beteiligung an den künftigen Gewinnen zu kaufen. Randy akzeptierte das Angebot im Großen und Ganzen, bat Avi, ihm einen Vertrag zuzuschicken, ging hinaus und fand Andrew auf dem Dach des Mietshauses, in dem er wohnte, wie er gerade dabei war, in einem Birkenrindenkessel auf einem Weber-Grill ein paar Fischinnereien zu kochen.Was nun da oben, inmitten von Windböen und Platzregen, folgte, war eine ausgesprochen unerfreuliche Unterhaltung.
Erstens nahm Andrew dieses Geschäft viel ernster als Randy. Für Randy war es ein unverhoffter Glücksfall, ein Jux. Andrew, Sohn eines Rechtsanwalts, tat, als ginge es um eine Firmenfusion und stellte viele ermüdende und bohrende Fragen über den Vertrag, den es noch gar nicht gab und der, wenn es ihn dann geben würde, vermutlich auf eine einzige Seite passte. Randy merkte es damals nicht, aber Andrew nahm, indem er so viele Fragen stellte, auf die Randy keine Antworten hatte, praktisch die Rolle des Managers für sich in Anspruch. Stillschweigend gründete er eine Geschäftspartnerschaft mit Randy, die es in Wirklichkeit gar nicht gab.
Außerdem hatte Andrew nicht die geringste Ahnung davon, wie viel Zeit und Mühe Randy auf das Schreiben des Programms verwendet hatte. Oder vielleicht doch, wie Randy später feststellen musste. Jedenfalls ging Andrew von Anfang an davon aus, dass er den gleichen Anteil bekommen würde wie Randy, was in keinem Verhältnis zu seinem tatsächlichen Beitrag zu dem Projekt stand. Im Grunde tat Andrew, als wäre alles, was er je zum Thema Essgewohnheiten der Ureinwohner erarbeitet hatte, Teil dieses Unternehmens und er folglich berechtigt, den halben Anteil zu fordern.
Als Randy sich aus dieser Unterhaltung herausgewunden hatte, drehte sich ihm alles. Er war mit einer bestimmten Sicht der Realität in das Gespräch gegangen und gnadenlos mit einer anderen konfrontiert worden, die offensichtlich verdreht war; nachdem Andrew ihn jedoch eine Stunde lang unter Druck gesetzt hatte, kamen ihm selbst Zweifel. Nach zwei oder drei schlaflosen Nächten beschloss er jedoch, das Ganze abzublasen. Für ein paar lumpige Hundertdollarscheine wollte er sich diese Qual nicht antun.
Doch Andrew (der mittlerweile von einem Anwalt aus der Kanzlei seines Vaters in Santa Barbara vertreten wurde) erhob heftige Einwände. Seinem Anwalt zufolge hatten er und Randy gemeinsam etwas geschaffen, das ökonomischen Wert besaß, und Randys Ablehnung, es zu einem marktüblichen Preis zu verkaufen, lief darauf hinaus, Andrew Geld aus der Tasche zu ziehen. Es war zu einem unglaublichen, kafkaesken Albtraum geworden, und Randy konnte sich nur noch in eine Ecke seines Lieblingspubs zurückziehen, ein Stout nach dem anderen hinunterkippen (häufig in Gesellschaft von Chester) und zusehen, wie dieses fantastische Psychodrama seinen Lauf nahm.Wie ihm jetzt klar wurde, war er in schwerwiegende häusliche Verstrickungen innerhalb von Andrews Familie hineingestolpert. Es stellte sich heraus, dass Andrews Eltern geschieden waren und sich vor langer Zeit heftig um das Sorgerecht für ihn, ihr einziges Kind, gestritten hatten. Mom war unter die Hippies gegangen und hatte sich einer Sekte in Oregon angeschlossen und Andrew mitgenommen. Es hieß, diese Sekte
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