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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Dingern getroffen worden sind, deren Name sich auf »Torpedo« reimt, und dass sie versuchen, Dampf aufzumachen. Offiziere und Unteroffiziere, schwarz und rot von Rauch und Blut, ordnen ihn in einem fort zu verschiedenen, extrem dringenden Aufgaben ab, die er nicht recht versteht, und dies nicht zuletzt deshalb, weil er sich immer wieder die Ohren zuhält.
    Es vergeht vielleicht eine halbe Stunde, ehe ihm der Gedanke kommt, sein Glockenspiel loszuwerden, das ihn letztlich nur noch behindert. Die Navy hat es mit jeder Menge eindringlicher Warnungen vor den Konsequenzen eines Missbrauchs an ihn ausgegeben. Lawrence ist in solchen Dingen durchaus gewissenhaft, was auf seine Orgelspielprivilegien in West Point, Virginia, zurückgeht. Aber in diesem Augenblick, während er da steht und die Arizona brennen und untergehen sieht, sagt er sich zum ersten Mal in seinem Leben schlicht: Ach, was soll’s. Er nimmt das Glockenspiel aus der Halterung und wirft einen letzten Blick darauf, denn es ist das letzte Mal in seinem Leben, dass er ein Glockenspiel anfassen wird. Es hat ohnehin keinen Sinn mehr, es noch aufzuheben, wie ihm nun klar wird; mehrere Platten sind verbogen. Er dreht es herum und stellt fest, dass sich geschwärzte, verbogene Metallbrocken in mehrere Platten eingeschweißt haben. Nun lässt er jede Vorsicht außer Acht und wirft das Instrument in der ungefähren Richtung der Arizona über Bord, eine Militärleier aus brüniertem Stahl, die tausend Männer auf dem Grund des Hafens zur ewigen Ruhe singt.
    Während das Glockenspiel in einem Flecken brennendem Öl verschwindet, trifft die zweite Welle angreifender Flugzeuge ein. Die Fliegerabwehr der Navy eröffnet endlich das Feuer, lässt Granaten auf die umliegende Gebäudeansammlung regnen und jagt bewohnte Häuser in die Luft. Er sieht menschenförmige Flammen, verfolgt von Leuten mit Decken, durch die Straßen laufen.
    Den Rest des Tages schlagen sich Lawrence Pritchard Waterhouse und der Rest der Navy mit der Tatsache herum, dass viele zweidimensionale Strukturen auf diesem und anderen Schiffen, die verhindern sollen, dass verschiedene Fluide (z.B. Treibstoff und Luft) sich vermischen, Löcher haben, dass darüber hinaus eine Menge Zeug brennt und reichlich verqualmte Verhältnisse herrschen. Bestimmte Gegenstände, die (a) in horizontaler Lage verbleiben und (b) schwere Dinge abstützen sollen, haben aufgehört, das eine wie das andere zu tun.
    Es gelingt den Leuten im Maschinenraum der Nevada, in ein paar Kesseln Dampf aufzumachen, und der Kapitän versucht, das Schiff aus dem Hafen zu bringen. Sobald es sich in Bewegung setzt, wird es Ziel eines konzertierten Angriffs, vorwiegend durch Sturzkampfbomber, die darauf aus sind, es in der Einfahrt zu versenken und so den gesamten Hafen zu blockieren. Um dies nicht geschehen zu lassen, setzt der Kapitän das Schiff schließlich auf Grund. Leider hat die Nevada mit den meisten anderen Schiffen gemeinsam, dass sie eigentlich nicht darauf ausgelegt ist, von einer stationären Position aus zu operieren, und erhält infolgedessen drei weitere Treffer von Sturzkampfbombern. Alles in allem ist es somit ein recht aufregender Vormittag. Als Angehöriger der Kapelle, der nicht einmal mehr ein Instrument besitzt, hat Lawrence recht vage umrissene Aufgaben und er verbringt mehr Zeit, als er sollte, damit, die Flugzeuge und die Explosionen zu betrachten. Er ist auf seinen früheren Gedankengang betreffend Gesellschaften und ihre Bemühungen, sich gegenseitig auszustechen, zurückgekommen. Während sich Welle auf Welle japanischer Sturzkampfbomber mit kalligraphischer Präzision auf das Schiff wirft, auf dem er steht, und die Crème der Kriegsmarine seines Landes, praktisch ohne Widerstand zu leisten, verbrennt, explodiert und versinkt, wird ihm ganz klar, dass seine Gesellschaft ein, zwei Dinge wird überdenken müssen.
     
     
     
    Irgendwann verbrennt er sich an etwas die Hand, und zwar die rechte, was weniger schlimm ist – er ist Linkshänder. Außerdem wird ihm deutlicher bewusst, dass ein Teil der Arizona versucht hat, ihn zu skalpieren. Nach Pearl-Harbor-Maßstäben sind das geringfügige Verletzungen und er bleibt nicht lange im Lazarett. Der Arzt weist ihn darauf hin, dass die Haut an seiner Hand sich möglicherweise zusammenziehen und die Beweglichkeit seiner Finger einschränken wird. Sobald er imstande ist, die Schmerzen auszuhalten, beginnt Lawrence, auf seinem Schoß Bachs Kunst der Fuge zu spielen, wann immer

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