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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ununterbrochen auf den Beinen gewesen sein müssen, seit der General vor zwei Tagen den entsprechenden Befehl gegeben hat. Der General hat fünfhundert neue Arbeiter versprochen; tatsächlich gekommen sind etwas weniger als dreihundert, und aus der Tatsache, dass keiner von ihnen auf einer Bahre getragen wird – angesichts ihres durchschnittlichen körperlichen Zustandes eine statistische Unmöglichkeit -, schließt Goto Dengo, dass die anderen zweihundert unterwegs gestolpert oder ohnmächtig geworden sein müssen und an Ort und Stelle exekutiert worden sind.
    Bundok ist geradezu unheimlich gut mit Treibstoff und Rationen versorgt, und er sorgt dafür, dass Gefangene und Soldaten gleichermaßen gut zu essen und einen Ruhetag bekommen.
    Dann lässt er sie an die Arbeit gehen. Mittlerweile kommandiert Goto Dengo schon lange genug Leute, um ein Auge für die guten zu haben. Unter den Neuankömmlingen gibt es einen zahnlosen Burschen namens Rodolfo, mit Glubschaugen, eisengrauem Haar, einer großen Zyste auf der Wange, zu langen Armen, Händen wie Schauerhaken und Spreizfüßen, die Goto Dengo an die Eingeborenen erinnern, bei denen er auf Neuguinea gelebt hat. Seine Augen haben keine bestimmte Farbe – sie wirken wie aus Scherben anderer Augen zusammengesetzt, ein aus Grau, Blau, Haselnussbraun und Schwarz gesintertes Gefunkel. Dass ihm Zähne fehlen, ist ihm peinlich und er hält sich stets eine seiner ausladenden Greifpranken vor den Mund, wenn er spricht. Jedes Mal, wenn Goto Dengo oder eine andere Autoritätsfigur in ihre Nähe kommt, wenden sämtliche jungen Filipinos die Augen ab und sehen angelegentlich Rodolfo an, der vortritt, sich den Mund zuhält und seinen sonderbaren, beunruhigenden Starrblick auf den Besucher richtet.
    »Teil deine Leute in ein halbes Dutzend Trupps ein und gib jedem Trupp einen Namen und einen Truppführer. Sorg dafür, dass jeder den Namen seines Trupps und seines Truppführers kennt«, sagt Goto Dengo ziemlich laut. Bestimmt sprechen wenigstens einige der anderen Filipinos Englisch. Dann beugt er sich näher heran und sagt leise: »Die besten und kräftigsten Männer behältst du für dich selbst.«
    Rodolfo blinzelt, versteift sich, tritt zurück, nimmt die Hand vom Mund und grüßt damit zackig. Seine Hand gleicht einer Markise, die einen Schatten über sein ganzes Gesicht und seine Brust wirft. Es wird deutlich, dass er das Grüßen von Amerikanern gelernt hat. Er macht auf dem Absatz kehrt.
    »Rodolfo.«
    Rodolfo dreht sich wieder um und wirkt dabei so irrtiert, dass Goto Dengo sich das Lachen verbeißen muss.
    »MacArthur ist auf Leyte.«
    Rodolfos Brust bläht sich wie ein Wetterballon und er wird ungefähr zehn Zentimeter größer, doch sein Gesichtsausdruck ändert sich nicht.
    Die Neuigkeit geht so schnell durchs Lager wie ein Blitz, der den Boden sucht. Die Taktik zeitigt den gewünschten Effekt, den Filipinos wieder einen Grund zum Weiterleben zu liefern; sie legen plötzlich große Energie und Tatkraft an den Tag. Auf Carabao-Karren ist eine Anzahl schwer mitgenommener Bohrer und Kompressoren eingetroffen, die offensichtlich von anderen, Bundok ähnlichen Baustellen auf Luzon stammen. Die Filipinos, Experten für Verbrennungsmotoren, schlachten einige Kompressoren aus, um andere zu reparieren. Unterdessen werden die Bohrer auf Rodolfos Trupps verteilt, die sie auf den Hügelkamm zwischen den Flüssen schleppen und die neuen »Belüftungsschächte« niederzubringen beginnen, während Wings Chinesen unten letzte Hand an den Golgatha-Komplex legen.
    Die Karren, mit denen man die Ausrüstung herangeschafft hat, sind von der japanischen Armee einfach samt Fahrern – hauptsächlich Bauernburschen – auf der Straße angehalten und an Ort und Stelle requiriert worden. Die Bauernburschen dürfen Bundok natürlich nicht wieder verlassen. Die schwächeren Carabaos werden geschlachtet, um Fleisch zu gewinnen, die kräftigeren werden bei der Arbeit an Golgatha eingesetzt und die Fahrer den Arbeitstrupps einverleibt. Einer von ihnen ist ein Junge namens Juan, mit großem, rundem Kopf und deutlich chinesischem Gesichtsschnitt.Wie sich herausstellt, spricht er Englisch, Tagalog und Kantonesisch. Er kann sich mit Wing und den anderen Chinesen in einer Art Pidgin verständigen, oft dergestalt, dass er mit dem Finger chinesische Schriftzeichen auf seine Handfläche malt. Juan ist klein und gesund und besitzt eine Art wacher Behendigkeit, die sich in Goto Dengos Augen bei den kommenden

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