Cryptonomicon
Ereignissen vielleicht als nützlich erweisen wird, und so teilt er ihn dem Spezialtrupp zu.
Das Unterwasser-Röhrensystem im Yamamoto-See muss nachgesehen werden. Goto Dengo lässt Rodolfo herumfragen, ob es unter den Arbeitern jemanden gibt, der als Perlentaucher gearbeitet hat. Er findet rasch einen, einen gelenkigen, hinfällig wirkenden Burschen aus Palawan namens Agustin. Agustin ist von Durchfall geschwächt, scheint in Wassernähe jedoch aufzuleben und taucht nach ein paar Ruhetagen ohne Schwierigkeiten auf den Grund des Yamamoto-Sees. Auch er wird einer von Rodolfos handverlesenen Männern.
Eigentlich gibt es für die Anzahl der vorhandenen Werkzeuge und der zu grabenden Löcher zu viele Filipinos, und so geht die Arbeit zunächst zügig voran, da die Truppführer in raschem Wechsel ausgeruhte Leute einsetzen. Eines Nachts dann, gegen zwei Uhr früh, hallt ein ungewohntes Geräusch durch den Dschungel; es dringt aus dem Flachland herauf, wo der Tojo sich durch Zuckerrohr- und Reisfelder windet.
Es ist das Geräusch von Fahrzeugen.Von massenhaft Fahrzeugen. Da die Japaner schon seit Monaten keinen Treibstoff mehr haben, kommt Goto Dengo als Erstes der Gedanke, dass es MacArthur sein muss.
Er wirft sich eine Uniform über und läuft mit den anderen Offizieren zum Haupttor von Bundok hinunter. Davor steht, mit laufenden Motoren und ausgeschalteten Scheinwerfern, eine Schlange aus Dutzenden von Lkws und einigen Personenwagen. Als er aus dem vordersten Wagen eine japanische Stimme hört, verspürt er Enttäuschung. Dass er von General Douglas MacArthur gerettet werden will, bereitet ihm längst keine Gewissensbisse mehr.
Auf den Lkws sitzen viele Soldaten. Als die Sonne aufgeht, genießt Goto Dengo den neuartigen, merkwürdigen Anblick frischer, gesunder, wohlgenährter Japaner. Sie sind mit leichten und schweren Maschinengewehren bewaffnet. Sie sehen aus, wie japanische Soldaten 1937 aussahen, als sie Nordchina überrollten. An einen Tag erinnert zu werden, an dem keine schreckliche Niederlage drohte und sie nicht im Begriff standen, auf fürchterliche Weise alles zu verlieren, verschafft Goto Dengo ein seltsames Gefühl der Wehmut. Es bildet sich sogar ein Kloß in seiner Kehle und seine Nase beginnt zu laufen.
Dann reißt er sich zusammen, denn ihm wird klar, dass der große Tag endlich gekommen ist. Der Teil von ihm, der nach wie vor ein treuer Soldat des Kaisers ist, hat die Pflicht, dafür zu sorgen, dass das soeben eingetroffene kriegswichtige Material im Gewölbe von Golgatha verstaut wird. Der Teil von ihm, der kein treuer Soldat mehr ist, hat noch viel zu erledigen.
Im Krieg kann man noch so viel planen, vorbereiten und üben – wenn der große Tag dann tatsächlich kommt, findet man trotzdem den eigenen Arsch nicht mehr. Dieser Tag bildet keine Ausnahme. Aber nach ein paar Stunden Chaos ordnet sich alles und die Leute begreifen, was sie zu tun haben. Die schwereren Lkws schaffen es nicht den holprigen Fahrweg hinauf, den Goto Dengo im Bett des Tojo hat anlegen lassen, aber ein paar der kleineren schon, und diese dienen als Pendelfahrzeuge. Und so rollen die großen Lkws, einer nach dem anderen, in einen schwer bewachten und mit einem kräftigen Zaun gesicherten Bereich, der – vor MacArthurs Aufklärungsflugzeugen gut getarnt – schon vor Monaten gebaut wurde. Filipinos machen sich über die Lkws her und laden Kisten davon ab, die klein, aber offensichtlich sehr schwer sind. Unterdessen befördern die kleineren Lkws die Kisten den Tojo hinauf bis vor den Eingang von Golgatha, wo sie auf Handkarren umgeladen und durch den Tunnel in das Hauptgewölbe geschoben werden. Den von oben erteilten Anweisungen entsprechend, achtet Goto Dengo darauf, dass jede zwanzigste Kiste für die Narrenkammer abgezweigt wird.
Das Entladen geht von da an automatisch vonstatten und Goto Dengo verwendet den größten Teil dieser Tage darauf, die Endphase der Bohrarbeiten zu beaufsichtigen. Der Bau der neuen Belüftungsschächte verläuft nach Zeitplan und er braucht sie nur einmal am Tag zu überprüfen. Die Diagonale ist mittlerweile nur noch ein paar Meter vom Boden des Yamamoto-Sees entfernt. Schon sickert Grundwasser durch kleine Ritzen im Boden und tröpfelt die Diagonale hinab nach Golgatha, wo es sich in einem Schachtsumpf sammelt, der in den Tojo abfließt. Noch ein paar Meter und sie werden in das kurze Tunnelstück durchbrechen, das Wing und seine Männer schon vor vielen Monaten geschaffen haben, indem
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