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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Bruce.
    »Vielleicht haben die maskierten Männer mit ihren Sturmgewehren sie angezogen.«
    »Aber warum sind die Heimlichen Bewunderer überhaupt aufgetaucht, wenn es nicht um eine Regierungsrazzia geht?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht ein besonderes Phänomen spontaner Selbstorganisation – wie der Ursprung des Lebens in der Ursuppe.«
    Bruce sagt: »Könnte der Rechtsstreit nicht ebenso gut ein Vorwand sein?«
    »Du meinst, eine Art trojanisches Pferd, das Comstock sich zurechtgebastelt hat?«
    »Genau.«
    »Da ich alle beteiligten Parteien kenne, halte ich das für unwahrscheinlich«, sagt Randy, »aber ich werde darüber nachdenken.«
    Der Streit auf dem Ordo-Parkplatz nimmt noch an Lautstärke und Heftigkeit zu. Randy schaut auf das Videofenster, dass dummerweise keine Tonspur hat. Der Wechsel zwischen den Vollbildern vollzieht sich in Form isolierter Blöcke neuer Pixel, die eins nach dem anderen auf die alten geklatscht werden, wie ein großes Werbeplakat, das abschnittweise aufgeklebt wird. Hochauflösendes Fernsehen ist das nicht gerade. Aber Randy erkennt eindeutig Avi, der groß, blass und ruhig dasteht, flankiert von einem Typen, der vermutlich Dave, der Chef von Ordo, und einem anderen, der offensichtlich ein Anwalt ist. Praktisch schon im Eingang des Gebäudes stehen sie zwei Polizisten und niemand Geringerem als Andrew Loeb gegenüber, der sich rasch bewegt und damit ein unüberwindliches Bandbreitenproblem darstellt. Die Internet-Video-Ausrüstung ist intelligent genug, um Teile eines Bildes, die sich nur wenig verändern, nicht durcheinander zu bringen, so dass die aufgepflanzten Polizisten vielleicht zweimal pro Minute aufgefrischt werden, und dann auch nur in ein paar rechteckigen Bildsegmenten. Andrew Loeb dagegen wedelt mit den Armen, hüpft auf und ab, stürzt mehrmals auf Avi zu, tritt wieder zurück, nimmt Anrufe auf seinem Handy entgegen und fuchtelt mit Papieren in der Luft herum. Die Computer haben ihn als einen Haufen Pixel identifiziert, die viel Aufmerksamkeit und Bandbreite benötigen, und so wühlt sich irgendwo ein armer Algorithmus durch die hoch verdichtete Masse aus komprimierten Pixeln, die das Bild von Andrew Loeb ausmachen, und tut sein Bestes, um die meisten sich rasch bewegenden Teile in einzelnen Vollbildern erstarren zu lassen und in Schachbrettquadrate zu zergliedern, die dann als Pakete übers Internet versendet werden können. Diese Pakete kommen so in Randys Computer an, wie das Funknetz sie weiterleitet, das heißt, sporadisch und in der falschen Reihenfolge. So erscheint Andrew Loeb als kubistisches Digital-Video-Artefakt, als geradlinige Amöbe aus größtenteils trenchcoatbeigefarbenen Pixels. Von Zeit zu Zeit tauchen plötzlich seine Augen oder sein Mund auf, körperlos, inmitten eines Bildblocks, um dort, kristallisiert in einem Augenblick unbändiger Wut, ein paar Sekunden lang zu verharren.
    Das fasziniert Randy auf geradezu unheimliche Weise, bis er durch ein dumpfes Geräusch aus seiner Träumerei gerissen wird. Er schaut hinter sich zu dem Lieferwagen, den er zugeparkt hat, um festzustellen, dass er keineswegs verlassen war; er war voll mit Zwergen, die jetzt die hinteren Türen aufgestoßen haben und den Blick auf ein Gewirr von Kabeln und Drähten freigeben. Zwei der Zwerge hieven einen kastenförmigen Apparat auf das Dach des Lieferwagens. Aus ihm führen Kabel in einen anderen kastenartigen Apparat darunter. Der Apparat ist elektrischer Natur – und Geschosse scheint er nicht abfeuern zu können -, sodass Randy beschließt, ihm einstweilen keine besondere Beachtung zu schenken.
    Das Stimmengewirr auf der anderen Straßenseite schwillt an. Randy sieht ein paar Polizisten mit einem Sturmbock aus einem Mannschaftswagen aussteigen.
    Randy tippt:
    randy
    und drückt die Returntaste. Tombstone antwortet:
    passwort:
    und Randy tippt es ein.Tombstone teilt ihm mit, dass er eingeloggt ist und Mail hat.
    Die Tatsache, dass Randy sich eingeloggt hat, ist jetzt an mehreren Stellen des Plattenlaufwerks vom System aufgezeichnet worden. Er hat, mit anderen Worten, soeben überall auf der Waffe, die die Polizei jeden Moment als Beweisstück konfiszieren wird, dicke fettige Fingerabdrücke hinterlassen. Wenn Tombstone von den Beamten ausgeschaltet und mitgenommen wird, bevor Randy diese Spuren beseitigen kann, werden sie wissen, dass er sich genau in dem Moment eingeloggt hat, als Tombstone beschlagnahmt wurde, und ihn wegen Manipulation von Beweismaterial ins Gefängnis

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