Cryptonomicon
stecken. Er wünscht sich sehnlichst, Douglas MacArthur Shaftoe könnte irgendwie erfahren, was für ein tollkühnes Ding er gerade macht. Andererseits hat Doug vermutlich alle möglichen tollkühnen Dinge gemacht, von denen Randy nie erfahren wird, und Randy achtet ihn sowieso wegen seiner Haltung. Vielleicht kommt man zu solch einer Haltung, indem man immer wieder insgeheim tollkühne Dinge tut, die dann irgendwie an die Oberfläche der eigenen Persönlichkeit dringen.
Mit einem einzigen Steuerbefehl könnte Randy die Festplatte einfach neu formatieren, aber das würde erstens mehrere Minuten in Anspruch nehmen und zweitens die belastenden Bits nicht vollständig löschen, sodass ein hochmotivierter Fachmann sie von der Festplatte abnehmen könnte. Da er weiß, in welchen Dateien sein Log-in gespeichert ist, lässt er diese Dateien über einen Steuerbefehl auf der Festplatte suchen. Dann gibt er einen anderen Steuerbefehl ein, der bewirkt, dass diese Bereiche der Festplatte sieben Mal hintereinander mit Zufallszahlen überschrieben werden.
Die Polizisten knallen gerade den Sturmbock gegen die Seitentür des Gebäudes, als Randys rechter kleiner Finger auf die Eingabetaste knallt und diesen Befehl ausführt. Jetzt ist er mit größter Wahrscheinlichkeit vor einer Beweismanipulationsklage sicher. Allerdings hat er die Manipulation überhaupt noch nicht vorgenommen, was ja der Sinn der ganzen Übung ist. Er muss sämtliche Kopien der E-Mail-Nachricht finden, in der die Lage desWracks in Form des Längen- und Breitengrades angegeben ist, und sie demselben Mehrfachlöschtrick unterziehen. Wären die verdammten Dinger nicht verschlüsselt, könnte er nach der kritischen Ziffernfolge suchen. Wie die Dinge liegen, wird er jedoch nach Dateien suchen müssen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums entstanden sind, nämlich um den Tag herum, als Randy draußen auf der Glory war, die über dem Wrack vor Anker lag. Randy weiß in etwa, welcher Tag das war, und deshalb setzt er, um sicherzugehen, die Grenzen für die Suche so, dass er sämtliche Dateien erhält, die innerhalb von fünf Tagen davor oder danach entstanden sind, und beschränkt sie auf die für E-Mails verwendeten Inhaltsverzeichnisse.
Die Suche dauert ewig, oder vielleicht kommt ihm das nur so vor, weil die Polizisten die Seitentür aus den Angeln geschlagen haben und jetzt im Gebäude sind. Mit einer dramatischen Veränderung lenkt das Video-Fenster Randys Aufmerksamkeit auf sich. Er bekommt eine sich drehende Montage körniger erstarrter Bilder eines Raumes zu sehen; ein Eingang; ein Korridor; ein Empfangsbereich und schließlich eine Barriere. Die Ordo-Leute haben ihre Videokamera vom Fenster heruntergenommen und an ihrem vordersten Schreibtisch postiert, wo sie eine Barriere aus billigen, in Elementbauweise gefertigten Büromöbeln aufnimmt, die an der Glastür zur Rezeption aufgestapelt worden sind. Die Kamera macht einen Schwenk nach oben, um zu zeigen, dass eine der vier gläsernen Türscheiben durch die Wucht des Sturmbocks (nimmt man an) bereits zu Bruch gegangen ist.
Randys Suchbefehl ergibt letztlich eine Liste von ungefähr hundert Dateien. Die vielleicht sechs entscheidenden befinden sich irgendwo in der Liste, aber Randy hat nicht die Zeit, sie durchzugehen und herauszufinden, welche es genau sind. Er lässt von dem System eine Liste der Festplattenbereiche erstellen, auf denen diese Dateien sich befinden, damit er dort später wieder hingehen und einen Super-Löschvorgang starten kann. Nachdem er diese Information erhalten hat, fasst er die Dateien alle unter einem Löschbefehl zusammen. Das ist eine armselige, jämmerliche Art und Weise, Geheimnisse von einer Festplatte zu entfernen, aber Randy fürchtet, die Zeit könnte ihm nicht reichen, um es sorgfältiger zu machen. Der Löschvorgang dauert nur ein paar Augenblicke, dann geht Randy zurück und lässt das System, wie schon zuvor, diese Festplattenbereiche sieben Mal hintereinander mit Zufallszahlen überschreiben. In diesem Moment fliegen die Einzelteile der Barriere quer durch den Vorraum von Ordo und die Polizisten sind drin. Sie haben ihre Waffen gezogen und gegen die Decke gerichtet und sehen nicht besonders glücklich aus.
Eins bleibt noch zu tun. Und das ist auch noch ein ziemlich großes Ding. Die Epiphyte-Leute benutzen Tombstone zu allen möglichen Zwecken, und man kann nicht sagen, ob es darauf nicht noch andere Kopien mit diesem Längen- und Breitengrad gibt. Epiphyte besteht
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