Cryptonomicon
über die Haftbedingungen sagen.«
»Seit wann kümmert sie das denn?«
»In Amerika sind Sie ein bisschen berühmt. Nicht sehr. Aber ein bisschen. Erinnern Sie sich an den amerikanischen Jungen in Singapur, der die Prügelstrafe bekam?«
»Natürlich.«
»Sehr schlechte Publicity für Singapur. Deshalb gibt es in der Gefängnisverwaltung Beamte, die sich ernsthaft mit dem Gedanken tragen, Sie in eine Einzelzelle zu stecken. Sauber. Ruhig.«
Randy setzt eine fragende Miene auf, hebt eine Hand und reibt mit der Geste für Geld Daumen und Zeigefinger aneinander.
»Ist schon geschehen.«
»Chester?«
»Nein. Jemand anders.«
»Avi?«
Rechtsanwalt Alejandro schüttelt den Kopf.
»Die Shaftoes?«
»Ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten, weil ich es gar nicht weiß, Randy. Ich war nicht in diese Entscheidung einbezogen. Aber wer immer es getan hat, hat auch Ihrer Bitte nach Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben, entsprochen. Haben Sie Bücher verlangt?«
»Ja. Haben Sie welche?«
»Nein. Aber sie lassen das hier zu.« Jetzt macht Rechtsanwalt Alejandro seine Aktentasche auf, greift mit beiden Händen hinein und zieht – Randys neuen Laptop heraus. Er trägt noch den Aufkleber mit der Asservatennummer der Polizei.
»Das gibt’s doch nicht!«, sagt Randy.
»Doch! Nehmen Sie ihn!«
»Ist er nicht so was wie ein Beweisstück?«
»Die Polizei braucht ihn nicht mehr. Man hat ihn aufgemacht und innen auf Drogen durchsucht. Hat Fingerabdrücke genommen – sie können das Graphitpulver noch sehen. Ich hoffe, es hat dem empfindlichen Gerät nicht geschadet.«
»Das hoffe ich auch. Und Sie wollen mir jetzt sagen, dass es mir freisteht, das Gerät hier mit in meine neue, saubere, ruhige Einzelzelle zu nehmen?«
»Genau das sage ich.«
»Und ich kann ihn dort benutzen? Ohne Einschränkungen?«
»Man wird Ihnen eine Anschlussmöglichkeit geben. Eine Steckdose«, sagt Rechtsanwalt Alejandro und fügt viel sagend hinzu: »Ich habe sie darum gebeten«, offensichtlich eine zarte Andeutung, dass er jegliches Honorar, das er am Ende bekommen wird, mehr als verdient.
Randy holt richtig tief Luft und denkt dabei: Das ist ja wirklich unglaublich großzügig – um nicht zu sagen erschreckend -, dass derselbe Staat, der mich verurteilen und hinrichten will, sogar so weit geht, dass er mich auf meinem Computer herumspielen lässt, während ich auf meinen Prozess und meinen Tod warte. Er atmet aus und sagt: »Gott sei Dank, dann kann ich wenigstens noch ein bisschen Arbeit erledigen.« Rechtsanwalt Alejandro nickt zustimmend.
»Ihre Freundin ist da und möchte Sie sehen«, verkündet er.
»Eigentlich ist sie nicht meine Freundin. Was will sie denn?«, fragt Randy.
»Was soll das heißen: ›Was will sie denn‹? Sie will Sie sehen. Ihnen emotionale Unterstützung geben. Sie wissen lassen, dass Sie nicht ganz allein sind.«
»Mist!«, murmelt Randy. »Ich will keine emotionale Unterstützung. Ich will aus diesem Gefängnis raus, verdammt noch mal!«
»Das fällt in mein Ressort«, erwidert Rechtsanwalt Alejandro stolz.
»Wissen Sie, wie mir das vorkommt? Wie so eine Geschichte nach dem Motto ›Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus‹.«
»Diese Wendung habe ich noch nicht gehört, aber ich verstehe unmittelbar, was Sie meinen.«
»Es ist der Untertitel eines dieser amerikanischen Bücher, bei denen es genügt, sich die Titelseite anzuschauen, um zu wissen was drin steht«, sagt Randy.
»Dann werde ich es nicht lesen.«
»Sie und ich sehen nur, dass jemand versucht, mich fertig zu machen, und dass ich hier rauskommen muss. Schlicht und ergreifend. Aber für Amy ist es viel mehr als das – es ist eine Gelegenheit, sich zu unterhalten!«
Rechtsanwalt Alejandro verdreht nur die Augen und macht die universelle Geste für »Frauengequassel«: Daumen und Fingerspitzen, die wie ein körperloser plappernder Kiefer auf und zu klappen.
»Um über tiefe Gefühle und emotionale Bindung zu sprechen«, fährt Randy fort und schließt die Augen.
»Aber so schlecht ist das doch gar nicht«, sagt Rechtsanwalt Alejandro und strahlt dabei vor Unaufrichtigkeit wie ein Spiegelball in einer Disko.
»Mir geht es gut in diesem Gefängnis. Erstaunlich gut«, sagt Randy, »aber das liegt nur daran, dass ich eine Art Antigefühlswall um mich errichtet habe.Viele Barrieren zwischen mir und meiner Umgebung. Und deswegen macht es mich schier wahnsinnig, dass sie ausgerechnet jetzt implizit von mir verlangt, dass ich meine
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