Cryptonomicon
Deckung herunternehme.«
»Sie weiß, dass Sie schwach sind«, sagt Rechtsanwalt Alejandro und zwinkert ihm zu. »Sie riecht Ihre Verletzlichkeit.«
»Das ist nicht alles, was sie riechen wird. Hat diese neue Zelle eine Dusche?«
»Alles. Vergessen Sie nicht, etwas Schweres auf den Abfluss zu legen, damit in der Nacht keine Ratten heraufklettern.«
»Danke. Ich werde einfach meinen Laptop draufstellen.« Randy lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und rutscht mit dem Hintern darauf herum. Es gibt da jetzt ein Problem mit einer Erektion. Für Randy ist es schon mindestens eine Woche her. Drei Nächte im Gefängnis, die Nacht davor in Tom Howards Haus, davor im Flugzeug, davor auf Avis Kellerfußboden... wahrscheinlich sogar viel länger als eine Woche. Randy muss dringend in diese Einzelzelle, und sei es nur aus dem einen Grund, dass er dann dem, was so schwer auf seine Prostata drückt, freien Lauf lassen und seinen Verstand wieder in ruhigeres Fahrwasser lenken kann. Er betet zu Gott, dass er Amy nur durch eine dicke Glastrennwand zu sehen bekommt.
Rechtsanwalt Alejandro macht die Tür auf und sagt etwas zu dem wartenden Gefängniswärter, der sie einen Flur entlang zu einem anderen Raum bringt. Der ist größer als der andere und verfügt über eine Reihe langer Tische, an denen hier und da in kleinen Trauben philippinische Familien sitzen. Falls diese Tische je als Maßnahmen gegen direkten Körperkontakt gedacht waren, ist das längst in Vergessenheit geraten; um zu verhindern, dass Filipinos einander ihre Zuneigung zeigen, bräuchte man eher so etwas wie die Berliner Mauer. Amy ist hier und geht bereits mit großen Schritten um das Ende eines der Tische herum, während ein paar Wachen ostentativ in die andere Richtung schauen (allerdings schnellen, sobald sie an ihnen vorbeigefegt ist, ihre Blicke zurück, um ihren Hintern zu begutachten). Diesmal kein Kleid. Randy wagt die Voraussage, dass es einige Jahre dauern wird, bis er Amy wieder im Kleid sieht. Beim letzten Mal wurde sein Schwanz steif, sein Herz pochte, er sabberte buchstäblich, und dann legten bewaffnete Männer ihm plötzlich Handschellen an.
Jetzt hat Amy alte, am Knie aufgerissene Jeans, ein Tank-Top und eine schwarze Lederjacke an, um ihre verdeckt getragenen Waffen besser unterbringen zu können. Wie Randy die Shaftoes kennt, hat ihre Verteidigungsbereitschaft wahrscheinlich einen sehr hohen Stand erreicht, nämlich denjenigen unmittelbar vor dem totalen nuklearen Schlagabtausch. Doug Shaftoe duscht vermutlich zur Zeit mit einem SEAL-Messer zwischen den Zähnen. Amy, die normalerweise auf einer verhaltenen Umarmungsvariante mit nur einem, kaum angehobenen Arm steht, wirft jetzt wie ein Schiedsrichter beim Anzeigen eines Touchdowns beide Arme in die Luft, winkelt sie hinter Randys Nacken ab und lässt ihn alles fühlen. Das Fleisch seines Unterleibs kann die Stiche ihrer Blinddarmnarbe zählen. Dass er einen Ständer hat, ist für sie wahrscheinlich ebenso offenkundig wie die Tatsache, dass er stinkt. Genauso gut hätte er einen dieser langen, neonorangefarbenen Fahrradwimpel an seinem Penisschaft festzurren und aus der Hose herauslugen lassen können.
Sie tritt einen Schritt zurück, senkt ihren Blick darauf, schaut ihm dann ganz bewusst in die Augen und sagt: »Wie fühlen Sie sich?«, die obligatorische Frage von Frauen, die hier schwer zu deuten ist – war es nun trocken/ironisch oder einfach hinreißend naiv gemeint?
»Sie fehlen mir«, sagt er, »und ich entschuldige mich dafür, dass mein limbisches System Ihre Geste emotionaler Unterstützung fehlinterpretiert hat.«
Sie nimmt es gelassen, zuckt die Schultern und sagt: »Kein Grund, sich zu entschuldigen. Es ist alles ein Teil von Ihnen , Randy. Ich muss Sie doch nicht in Stücken kennen lernen, oder?«
Randy widersteht dem Drang, auf die Uhr zu schauen, was ohnehin sinnlos wäre, da sie konfisziert worden ist. Amy hat soeben mit der Art, wie sie das Thema auf Randys Unfähigkeit, sich emotional zu öffnen, lenkte, eine Art neuen Geschwindigkeitsweltrekord in der Kategorie Männer-/Frauengespräche aufgestellt. Und dass sie es in diesem Rahmen getan hat, zeugt von einer Chuzpe, die er einfach bewundern muss.
»Sie haben mit Rechtsanwalt Alejandro gesprochen«, sagt sie.
»Hm. Ich nehme an, er hat mir alles mitgeteilt, was er mir mitteilen sollte.«
»Viel mehr habe ich auch nicht für Sie«, erwidert sie. Was auf einer rein taktischen Ebene eine Menge bedeutet. Wäre das Wrack
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