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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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zugrunde liegenden Motive der Gefängnisverwaltung so ausführlich zu erklären, scheint darauf hinzudeuten, dass seine Einschätzung von Randys Intelligenz nicht allzu schmeichelhaft ausfällt, was angesichts der Art, wie er am Flughafen verhaftet wurde, vielleicht auch nur recht und billig ist. »Also blieb nur der elektrische Stuhl übrig. Aber wissen Sie, was mit dem passiert ist?«
    »Keine Ahnung«, sagt Randy.
    »Er ist verbrannt. Schaltfehler. Damit hatten wir keine Möglichkeit, Leute zu töten.« Plötzlich erinnert sich Rechtsanwalt Alejandro, dessen Miene bisher keine Heiterkeit verraten hat, daran zu lachen. Es ist rein mechanisch, und bis Randy sich aufgerafft hat, eine gewisse höfliche Belustigung an den Tag zu legen, ist es vorbei und Alejandros Miene wieder ernst. »Filipinos sind jedoch höchst anpassungsfähig.
    Erneut haben wir«, sagt Rechtsanwalt Alejandro, »auf Amerika geschaut. Unseren Freund, unseren Gönner, unseren großen Bruder. Kennen Sie den Ausdruck Ninong ? Natürlich, ich habe vergessen, dass Sie ja eine ganze Weile hier gelebt haben.« Randy ist immer beeindruckt von dieser Mischung aus Liebe, Hass, Hoffnung, Enttäuschung, Bewunderung und Spott, die die Filipinos Amerika gegenüber zum Ausdruck bringen. Nachdem sie einmal Teil der Vereinigten Staaten waren, können sie Spitzen gegen sie loslassen, die sich normalerweise nur waschechte US-Bürger erlauben dürfen. Dass die Vereinigten Staaten nicht imstande waren, sie nach Pearl Harbor vor den Japanern zu schützen, ist immer noch das Bedeutendste, was ihnen je widerfahren ist. Vermutlich sogar etwas bedeutender als MacArthurs Rückkehr ins Land ein paar Jahre später. Wenn sich da keine Hassliebe entwickelt...
    »Auch die Amerikaner«, fährt Rechtsanwalt Alejandro fort, »hatten schwer an den Ausgaben für die Hinrichtung von Menschen und den ständigen Ärger mit ihren elektrischen Stühlen zu tragen. Vielleicht hätten sie sie in Auftrag geben sollen.«
    »Wie bitte?«, sagt Randy. Ihm kommt der Gedanke, dass Rechtsanwalt Alejandro vielleicht nur prüft, ob er wach ist.
    »In Auftrag geben. An die Japaner. Zu Sony oder Panasonic oder einem dieser Läden gehen und sagen (und nun verfällt er wieder in den perfekten Akzent des amerikanischen Bauerntölpels): ›Die VCRs, die ihr uns verscherbelt habt, sind wirklich klasse – warum baut ihr uns nicht einen elektrischen Stuhl, der auch funktioniert?‹ Und das hätten die auch gemacht- in solchen Dingen sind sie einfach hervorragend – und wenn sie den Amerikanern dann alle elektrischen Stühle, die sie brauchten, verkauft hätten, hätten wir zum Sonderpreis ein paar Exemplare zweiter Wahl gekauft.« Immer wenn Filipinos Amerika in Gegenwart eines Amerikaners miesmachen, versuchen sie in der Regel, einige richtig gehässige Bemerkungen über die Japaner hinterherzuschieben, um alles wieder ins rechte Licht zu rücken.
    »Was bringt uns das jetzt?«, fragt Randy.
    »Entschuldigen Sie bitte die Abschweifung. Die Amerikaner waren dazu übergegangen, Verurteilte mit der Todesspritze hinzurichten. Und wir haben einmal mehr beschlossen, uns nach ihnen zu richten. Warum haben wir die Leute nicht einfach aufgehängt? Wir haben jede Menge Seil – Seil kommt nämlich von hier, wissen Sie -«
    »Ja.«
    »- oder erschossen? Wir haben jede Menge Gewehre. Aber nein, der Kongress wollte so modern sein wie Uncle Sam, und deshalb musste es jetzt die Todesspritze sein. Dann haben wir eine Delegation losgeschickt, um zu sehen, wie die Amerikaner Leuten die Todesspritze verabreichen, und wissen Sie, was die bei ihrer Rückkehr berichtet hat?«
    »Dass man alle möglichen Spezialgeräte dafür braucht.«
    »Dass man alle möglichen Spezialgeräte dafür braucht und außerdem einen besonderen Raum. Dieser Raum ist noch nicht gebaut worden.Wissen Sie, wie viele Häftlinge in unserem Todestrakt sitzen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Mehr als zweihundertfünfzig. Selbst wenn der Raum morgen gebaut würde, könnten die meisten von ihnen nicht hingerichtet werden, da es gesetzwidrig ist, eine Hinrichtung vorzunehmen, wenn seit dem letzten Berufungsverfahren noch kein Jahr vergangen ist.«
    »Moment mal! Wozu ein ganzes Jahr warten, wenn man seine letzte Berufungsverhandlung verloren hat?«
    Rechtsanwalt Alejandro zuckt die Schultern.
    »In Amerika findet die letzte Berufungsverhandlung in der Regel erst statt, wenn der Todeskandidat schon mit der Nadel im Arm auf dem Tisch festgeschnallt ist.«
    »Vielleicht

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