Cryptonomicon

MacArthur.«
    Goto Dengo steht schon die ganze Zeit wie eine Salzsäule da und ist vollkommen verblüfft, doch nun reißt er sich zusammen und verbeugt sich tief. MacArthur nickt knapp. Sein Adjutant starrt Goto Dengo finster an und hat bereits seine Colt-Pistole gezogen.
    »Angenehm«, sagt Der General lässig. »Könnten die Herren mir nun vielleicht freundlicherweise sagen, was sie in der Damentoilette zu schaffen hatten?«
    Bobby Shaftoe weiß, wie man eine Chance beim Schopf packt. »Äh, komisch, dass Sie das fragen, Sir«, sagt er leichthin, »aber Goto-san ist gerade erleuchtet worden und hat sich zum Christentum bekehrt.«
    Ein paar Nips oben auf der Mauer eröffnen mit einem Maschinengewehr das Feuer auf sie. Die leichten Geschosse peitschen durch die Luft und klatschen in den Boden. General of the Army Douglas MacArthur verharrt lange Zeit reglos, mit gespitzten Lippen. Er schnieft einmal. Dann nimmt er sorgfältig seine Pilotenbrille ab und wischt sich mit dem Ärmel seiner makellosen Uniform die Augen. Er zückt ein ordentlich gefaltetes weißes Taschentuch, schlägt es um seine Nase und schnaubt ein paar Mal hinein. Er faltet es sorgfältig wieder zusammen, steckt es ein, strafft die Schultern, tritt vor Goto Dengo hin und umschlingt ihn in einer ungestüm männlichen Umarmung. Die übrigen Adjutanten Des Generals tauchen en bloc aus dem Klo auf und betrachten die Szene mit deutlicher Zurückhaltung und Spannung. Bobby Shaftoe, der am liebsten im Boden versunken wäre, richtet den Blick auf seine Füße, wackelt mit den Zehen und streicht sich an der Stelle, wo ihn ein paar Tage zuvor das Ruder getroffen hat, über den Schorf. Die Bedienungsmannschaft des Maschinengewehrs auf der Mauerkrone wird Mann für Mann von einem Scharfschützen abgeschossen; sie schreien und krümmen sich theatralisch. Die Huks sind aus dem Unterstand gekommen und in dieses kleine Tableau hineingestolpert; sie stehen da wie vom Donner gerührt und haben die Kinnladen ungefähr bis zum Nabel heruntergeklappt.
    Schließlich lässt MacArthur den steifen Körper Goto Dengos los, tritt mit großer Geste zurück und präsentiert ihn seinem Stab. »Darf ich vorstellen, Goto-san«, verkündet er. »Sie kennen doch alle den Ausdruck ›nur ein toter Nip ist ein guter Nip‹? Tja, dieser junge Mann hier ist ein Gegenbeispiel, und wie wir in Mathematik gelernt haben, braucht es nur ein Gegenbeispiel, um die Theorie zu widerlegen.«
    Sein Stab wahrt vorsichtiges Schweigen.
    »Es erscheint mir nur angemessen, dass wir diesen jungen Mann zur Kirche St. Agustin, drüben in Intramuros, bringen, um das Sakrament der Taufe zu vollziehen«, sagt Der General.
    Vornüber gekrümmt, weil er jeden Moment damit rechnet, eine Kugel zwischen die Schulterblätter zu bekommen, tritt einer der Adjutanten vor. »Sir, es ist meine Pflicht, Sie daran zu erinnern, dass Intramuros noch vom Feind beherrscht wird.«
    »Dann wird es höchste Zeit, dass wir uns bemerkbar machen!«, sagt MacArthur. »Shaftoe wird uns hinführen. Shaftoe und die philippinischen Herren hier.« Der General legt Goto Dengo in einer höchst liebevollen, vertraulichen Geste den Arm um die Schultern und spaziert mit ihm auf das nächstgelegene Tor zu. »Damit Sie’s wissen, junger Mann: Wenn ich mein Hauptquartier in Tokio aufschlage – was, so Gott will, binnen einem Jahr der Fall sein wird – will ich Sie am ersten Tag in aller Frühe dort sehen!«
    »Jawohl, Sir!«, sagt Goto Dengo. Alles in allem kann er wohl kaum etwas anderes sagen.
    Shaftoe holt tief Atem, legt den Kopf in den Nacken und starrt zum rauchverhangenen Himmel auf. »Gott«, sagt er, »normalerweise neige ich den Kopf, wenn ich mit Dir rede, aber ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns mal von Angesicht zu Angesicht unterhalten. Du siehst und weißt alles, deshalb werde ich Dir die Situation nicht erklären. Ich möchte bloß eine Bitte an Dich richten. Ich weiß, im Moment kriegst Du von überallher Bitten von einsamen Soldaten zu hören, aber meine betrifft einen Haufen Frauen und Kinder und außerdem General MacArthur, also kannst Du mich vielleicht vorziehen. Du weißt, was ich will. Also los.«
    Von einem seiner Kameraden borgt er sich ein kurzes, gerades Maschinenpistolen-Magazin mit zwanzig Schuss, dann machen sie sich auf nach Intramuros. Die Tore sind sicher bewacht, also laufen Shaftoe und die Huks stattdessen direkt unterhalb des außer Gefecht gesetzten Maschinengewehrnests die schräg abfallende Mauer