Cryptonomicon
Dengo.
»Darauf ist geschissen«, sagt Shaftoe. »He, wisst ihr Schwachköpfe nicht, dass ihr umzingelt seid?«
»Doch«, sagt Goto Dengo müde. »Das wissen wir schon lange.«
»Dann gebt endlich auf, ihr blöden Trottel! Schwenkt eine weiße Flagge und ihr könnt alle nach Hause gehen.«
»Das ist nicht die japanische Art.
»Scheiße, dann denkt euch eben eine andere Art aus! Zeigt gefälligst ein bisschen Flexibilität!«
»Warum bist du hier?«, fragt Goto Dengo und wechselt damit das Thema. »Was ist dein Auftrag?«
Shaftoe erklärt, dass er nach seinem Sohn sucht. Goto Dengo sagt ihm, wo alle Frauen und Kinder sind: in der Kirche St. Agustin, in Intramuros.
»He«, sagt Shaftoe, »wenn wir uns ergeben, bringt ihr uns um, stimmt’s?«
»Ja.«
»Wenn ihr euch ergebt, bringen wir euch nicht um. Versprochen. Großes Pfadfinderehrenwort.«
»Für uns ist leben oder sterben nicht so wichtig«, sagt Goto Dengo.
»He! Erzähl mir mal was, was ich noch nicht weiß, Scheiße noch mal!«, sagt Shaftoe. »Euch ist es ja nicht mal wichtig, Schlachten zu gewinnen. Oder?«
Goto Dengo wendet beschämt den Blick ab.
»Habt ihr eigentlich immer noch nicht kapiert, dass Banzai-Angriffe ABSOLUT NICHTS BRINGEN?«
»Alle Männer, die das erkannt haben, sind bei Banzai-Angriffen getötet worden«, sagt Goto Dengo.
Wie auf Stichwort beginnen die Nips in dem Unterstand auf der linken Spielfeldseite »Banzai!« zu brüllen und stürmen wie ein Mann auf den Platz hinaus. Shaftoe legt das Auge an ein Einschussloch in der Wand und sieht zu, wie sie mit aufgepflanzten Bajonetten über das Innenfeld stolpern. Ihr Anführer stellt sich auf das Wurfmal, als wollte er dort eine Flagge einrammen, und bekommt eine Kugel mitten ins Gesicht. Um ihn herum werden seine Leute von wohl platzierten Gewehrkugeln aus dem Unterstand der Huks auseinander genommen. Der Häuserkampf ist nicht das Metier der Hukbalahaps, aber in aller Ruhe Japaner beim Banzai-Angriff kaltzumachen ist für sie ein alter Hut. Einer der Nips schafft es tatsächlich, bis zur Coach-Box am ersten Mal zu kriechen. Dann reißt es ihm ein paar Pfund Fleisch aus dem Rücken und er liegt still.
Als Shaftoe sich umdreht, sieht er, dass Goto Dengo einen Revolver auf ihn richtet. Er beschließt, das vorläufig zu ignorieren. »Siehst du, was ich meine?«
»Ich habe das schon oft gesehen.«
»Warum bist du dann nicht tot?« Shaftoe stellt die Frage mit aller gebührenden Schnodderigkeit, doch auf Goto Dengo hat sie eine schreckliche Wirkung. Sein Gesicht verzieht sich und er beginnt zu weinen. »Ach du Scheiße. Du hältst mir eine Kanone vor die Nase und fängst gleichzeitig zu flennen an? Unfairer geht’s ja wohl nicht! Scheiße, wieso schmeißt du mir nicht noch eine Hand voll Dreck in die Augen, wo du schon dabei bist?«
Goto Dengo drückt sich den Revolver an die Schläfe. Aber das hat Shaftoe längst kommen sehen. Mittlerweile kennt er die Nips gut genug, um es mitzukriegen, wenn sie einem mit Harakiri kommen wollen. Shaftoe stürzt vor, sobald sich der Revolverlauf zu bewegen beginnt. Bis die Mündung sich gegen Goto Dengos Schläfe drückt, hat Shaftoe den Finger in die Einbuchtung zwischen Hammer und Schlagbolzen gesteckt.
Goto Dengo sinkt jämmerlich schluchzend zu Boden. Shaftoe hat große Lust, ihn zu treten. »Lass das gefälligst!«, sagt er. »Scheiße, was ist denn in dich gefahren?«
»Ich bin nach Manila gekommen, um mich reinzuwaschen – um meine verlorene Ehre zurückzugewinnen!«, sagt Goto Dengo. »Hier hätte ich es gekonnt. Ich könnte jetzt tot auf diesem Feld liegen und mein Geist ginge nach Yasukuni. Aber dann – bist du gekommen! Du hast mich um meine Konzentration gebracht!«
»Dann konzentrier dich mal auf Folgendes, du Blödmann!«, sagt Shaftoe. »Mein Sohn ist in einer Kirche drüben auf der anderen Seite dieser Mauer da, zusammen mit einem Haufen anderer hilfloser Frauen und Kinder. Wenn du dich reinwaschen willst, warum hilfst du mir dann nicht, sie lebendig dort rauszuholen?«
Goto Dengo scheint mittlerweile in Trance verfallen zu sein. Sein eben noch weinendes Gesicht ist zur Maske erstarrt. »Ich wünschte, ich könnte glauben, was du glaubst«, sagt er. »Ich bin gestorben, Bobby. Ich war in einem Felsengrab begraben. Wenn ich Christ wäre, könnte ich jetzt wiedergeboren werden und ein neuer Mensch sein. Stattdessen muss ich weiterleben und mein Karma hinnehmen.«
»Ach du Scheiße! Da draußen im Unterstand ist ein Padre.
Weitere Kostenlose Bücher