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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Der kann dich in null Komma nichts zum Christen machen.« Bobby Shaftoe durchquert mit langen Schritten die Toilette und reißt die Tür auf.
    Zu seiner Verblüffung sieht er nur ein paar Schritte entfernt einen Mann stehen. Der Mann trägt eine alte, aber saubere Kakiuniform, die außer einem Fünfeck aus Sternen auf dem Kragen keinerlei Rangabzeichen aufweist. Er hat ein Streichholz in den Kopf einer Maiskolbenpfeife gesteckt und pafft vergeblich vor sich hin. Aber es ist, als hätte die brennende Stadt der Luft sämtlichen Sauerstoff entzogen. Angewidert wirft er das Streichholz weg, dann blickt er in das Gesicht von Bobby Shaftoe auf – starrt ihn durch eine Pilotenbrille hindurch an, die seinem hageren Gesicht das Aussehen eines Totenschädels verleiht. Einen Moment lang formt sein Mund ein O. Dann schließen sich seine Kiefer. »Shaftoe... Shaftoe! SHAFTOE!«, sagt er.
    Bobby Shaftoe spürt, wie sein Körper Habachtstellung einnimmt. Aus irgendeinem blöden, tief eingewurzelten Reflex heraus würde das sein Körper auch dann tun, wenn er schon seit ein paar Stunden tot wäre. »Sir, jawohl, Sir!«, sagt er müde.
    Der General sammelt eine halbe Sekunde lang seine Gedanken, dann sagt er: »Sie hätten in Concepcion sein müssen. Dort waren Sie nicht. Ihre Vorgesetzten wussten nicht, was sie davon halten sollten. Sie haben sich fürchterliche Sorgen um Sie gemacht. Und das Marineministerium war absolut unerträglich, seit man dort mitbekommen hat, dass Sie für mich arbeiten. Man behauptet dort in überheblichstem Ton, Sie kennten wichtige Geheimnisse und hätten niemals der Gefahr der Gefangennahme ausgesetzt werden dürfen. Kurz gesagt, Ihr Status und Ihr Verbleib waren in den vergangenen Wochen Gegenstand heftigster, um nicht zu sagen fieberhafter Spekulationen.Viele vermuteten, Sie seien tot oder, noch schlimmer, in Gefangenschaft geraten. Für mich war das eine höchst unwillkommene Ablenkung, insofern mir Planung und Durchführung der Wiedereroberung der Philippinen wenig Zeit ließen, mich mit derartigen Ärgernissen zu beschäftigen.« Eine Artilleriegranate kommt herangesaust und explodiert auf der Tribüne, sodass überall um sie herum gezackte Bretterstücke von ungefähr Kanupaddelgröße durch die Luft wirbeln. Eines davon bohrt sich wie ein Speer in die Erde zwischen Dem General und Bobby Shaftoe.
    Der General nutzt dies, um Atem zu holen, und fährt dann fort, als läse er von einem Manuskript ab. »Und jetzt, wo ich am wenigsten damit rechne, treffe ich Sie hier, viele Meilen von dem Ihnen zugewiesenen Posten entfernt, ohne Uniform, in ramponiertem Zustand und in Begleitung eines japanischen Offiziers, wie Sie die sakrosankte Sphäre einer Damentoilette verletzen! Shaftoe, haben Sie denn keinerlei Sinn für militärische Ehre? Bedeutet Ihnen Anstand überhaupt nichts? Glauben Sie nicht, dass ein Vertreter des Militärs der Vereinigten Staaten mehr Würde an den Tag legen sollte?«
    Shaftoes Kniescheiben zucken unkontrollierbar auf und ab. Seine Eingeweide sind geschmolzen und er spürt ein seltsames Blubbern in seinem Rektum. Seine Backenzähne klappern wie ein Fernschreiber. Er spürt Goto Dengo hinter sich und überlegt, was das arme Schwein wohl denken mag.
    »Bitte um Verzeihung, Sir, nicht dass ich das Thema wechseln will oder so, aber sind Sie allein hier?«
    Der General ruckt das Kinn in Richtung Männertoilette. »Meine Adjutanten sind da drin und erleichtern sich. Sie hatten es sehr eilig damit, deshalb trifft es sich gut, dass wir hierher gefunden haben. Aber keiner von ihnen ist auf den Gedanken gekommen, in die Damentoilette einzudringen«, sagt er streng.
    »Dafür möchte ich mich entschuldigen«, sagt Bobby Shaftoe hastig, »und auch für alles andere, was Sie erwähnt haben. Aber ich betrachte mich immer noch als Marine, und Marines suchen nicht nach Ausreden, deshalb versuche ich es auch erst gar nicht.«
    »Das genügt mir nicht! Ich verlange eine Erklärung dafür, wo Sie gewesen sind.«
    »Ich hab mich in der Welt herumgetrieben«, sagt Bobby Shaftoe, »und bin vom Schicksal in den Arsch gefickt worden.«
    Die Tür der Männertoilette geht auf und einer der Adjutanten Des Generals kommt heraus, benommen und auf wackeligen Beinen. Der General ignoriert ihn; mittlerweile schaut er an Shaftoe vorbei.
    »Verzeihen Sie meine Manieren, Sir«, sagt Shaftoe und dreht sich zur Seite. »Sir, mein Freund Goto Dengo. Goto-san, sag guten Tag zu General of the Army Douglas

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