Cryptonomicon
Spielerbank. Weil Shaftoe weiß, wie Schlachten ablaufen, weiß er, dass der eine Unterstand voller Nips und der andere voller Huks ist und dass sie sich mit ihrem Feuer gegenseitig darin festnageln, genau wie Truppen im Ersten Weltkrieg in ihren einander gegenüberliegenden Schützengräben. Unter den Tribünen liegen ein paar Gebäude, in denen Toiletten und ein Kiosk untergebracht sind. Im Augenblick werden die Huks und die Nips durch diese Gebäude schleichen und versuchen, in eine Position zu kommen, aus der sie in die Unterstände schießen können.
Aus Richtung der linken Tribüne fliegt eine japanische Granate auf ihn zu, die mit einem reißenden Geräusch durch die Wedel einer Palme saust. Shaftoe zieht den Kopf hinter den Stamm einer anderen Palme zurück, damit er die Granate nicht sehen kann. Sie explodiert und fetzt ihm die Kleidung, und einen Gutteil Haut, von einem Arm und einem Bein. Aber sie ist wie alle japanischen Granaten ein minderwertiges Produkt und erbärmlich ineffektiv. Shaftoe dreht sich um und schickt eine Salve 45er Kugeln in die ungefähre Richtung, aus der die Granate gekommen ist; das müsste dem Werfer Stoff zum Nachdenken liefern, während Shaftoe sich orientiert.
Tatsächlich ist das eine blöde Idee, denn ihm geht die Munition aus. Er hat noch ein paar Schuss in seiner Pistole, das ist alles. Außerdem hat er noch eine Granate übrig. Er erwägt, sie in Richtung Baseball-Feld zu werfen, aber sein Wurfarm ist inzwischen in ziemlich schlechtem Zustand.
Außerdem ist das Baseball-Feld einfach zu weit weg, Herrgott noch mal! Nicht mal in erstklassiger Verfassung könnte er eine Granate von hier nach dort werfen.
Vielleicht ist eine der Leichen da draußen im Gras, zwischen hier und dort, in Wirklichkeit gar keine Leiche. Shaftoe robbt auf die Leiber zu und stellt fest, dass es sich ganz eindeutig um Tote handelt.
Er umgeht das Grasgelände in weitem Bogen und beginnt sich hinter dem Schlagmal herum auf die rechte Außenlinie zuzuarbeiten, wo seine Leute sind. Er würde sich liebend gern von hinten an die Nips heranschleichen, aber der Granatenwerfer hat ihm einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Wer zum Teufel ist das?
Aus den Unterständen wird nur noch sporadisch geschossen. Man hat ein Patt erreicht und versucht, Munition zu sparen. Shaftoe riskiert, sich in Kauerstellung aufzurichten. Er ist ungefähr drei Schritte gerannt, als er die Tür zur Damentoilette aufschwingen und einen Mann herausstürzen sieht, der Schwung holt wie Bob Feller, wenn er sich anschickt, einen schnellen Ball genau auf die Mitte des Schlagmals zu werfen. Shaftoe feuert einen Schuss aus seiner 45er ab, doch der aberwitzig heftige Rückstoß reißt ihm die Waffe aus der lädierten Hand. Die Granate kommt genau auf ihn zugeflogen. Shaftoe wirft sich zu Boden, grabscht nach seiner 45er. Die Granate prallt von seiner Schulter ab und landet kullernd im Staub, wo sie ein zischendes Geräusch von sich gibt. Aber sie explodiert nicht.
Shaftoe blickt auf. Der Nip wird von der Tür der Damentoilette eingerahmt. Er lässt kläglich die Schultern hängen. Shaftoe erkennt ihn; es gibt nur einen Nip, der eine Granate so werfen könnte. Er bleibt ein paar Augenblicke lang liegen und zählt an den Fingern Silben ab, dann steht er auf, wölbt die Hände um den Mund und brüllt:
Ananas fliegt rasch –
Kanonen applaudieren –
Werfer trifft Schläger!
Goto Dengo und Bobby Shaftoe schließen sich in der Damentoilette ein und teilen sich einen Schluck aus einer Flasche Portwein, die der Japaner in irgendeinem Laden geklaut hat. Sie verbringen ein paar Minuten damit, einander in groben Zügen auf den neuesten Stand zu bringen. Goto Dengo ist schon ziemlich betrunken, was seine Granatenwurf-Darbietung um so eindrucksvoller macht. »Ich stehe bis zu den Kiemen unter Benzedrin«, sagt Shaftoe. »Hält einen in Schwung, aber treffen tut man damit einen Scheißdreck.«
»Das habe ich gemerkt!«, sagt Goto Dengo. Er ist so mager und abgezehrt, dass er eher wie ein hypothetischer kranker Onkel von Goto Dengo aussieht.
Shaftoe tut so, als fühle er sich von der Bemerkung gekränkt, und nimmt Judo-Haltung ein. Goto Dengo lacht unbehaglich und scheucht ihn händewedelnd fort. »Keine Kämpfe mehr«, sagt er. Eine Gewehrkugel schlägt durch die Wand der Damentoilette und bohrt einen Krater in ein Porzellanwaschbecken.
»Wir müssen uns einen Plan ausdenken«, sagt Shaftoe.
»Der Plan: Du lebst weiter, ich sterbe«, sagt Goto
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