Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
hinauf. Sie drehen das Gewehr in Richtung Intramuros um und postieren dort einen der verwundeten Huks, um es zu bedienen.
    Als Shaftoe das erste Mal auf die Stadt hinunterschaut, fällt er beinahe von der Mauer. Intramuros ist verschwunden. Wenn er nicht wüsste, wo es ist, würde er es nicht wiedererkennen. So gut wie alle Gebäude sind dem Erdboden gleichgemacht worden. Die Kathedrale und die Kirche St.Agustin stehen noch, beide schwer beschädigt. Von den schönen alten spanischen Häusern existieren nur noch wenige, und dies als hastige, freihändige Skizzen ihres früheren Erscheinungsbildes, ohne Dächer, Flügel oder Wände. Aber die meisten Straßenzüge sind nur noch ein Wirrwarr von Mauerwerk und zerschmetterten roten Dachziegeln, aus dem Rauch und Dampf quillt. Überall liegen Leichen, über das Viertel hingesät wie breitwürfig ausgebrachte Timotheus-Samen auf frisch gepflügter Erde. Der Artilleriebeschuss hat weitgehend aufgehört – es gibt nichts mehr zu zerstören -, aber in fast jeder Straße hört man Schüsse aus Faustfeuerwaffen und Maschinengewehren.
    Shaftoe kommt zu dem Schluss, dass er eines der Tore wird stürmen müssen. Doch ehe er auch nur einen Plan entwickeln kann, stehen MacArthur und der Rest seiner Gruppe, die hinter ihm den Wall hinaufgekraxelt sind, schon oben bei ihm. Es ist offensichtlich das erste Mal, dass sich der General Intramuros genauer anschauen kann, denn er ist fassungs- und ausnahmsweise auch sprachlos. Lange Zeit steht er mit offenem Mund da und beginnt das Feuer einiger Nips auf sich zu ziehen, die in den Trümmern unten versteckt sind. Das umgedrehte Maschinengewehr bringt sie zum Schweigen.
    Sie brauchen mehrere Stunden, um sich die Straße hinauf, und in die Kirche St. Agustin hineinzukämpfen. Ein Haufen Nips hat sich darin verbarrikadiert und es hört sich so an, als hätten sie jeden hungrigen Säugling und zornigen Zweijährigen von Manila bei sich. Die Kirche bildet nur eine Seite eines größeren Komplexes, zu dem auch ein Kloster nebst weiteren Gebäuden gehört. Ein Großteil der Baulichkeiten ist von Artilleriefeuer aufgerissen worden. Die Schätze, die die Mönche im Laufe der letzten fünfhundert Jahre hier angesammelt haben, sind auf die Straße gepurzelt. Wie Granatsplitter über das ganze Viertel geschleudert und mit den aufgespießten Leibern philippinischer Jungen vermischt, finden sich riesige Ölgemälde von der Geißelung Christi, fantastische Holzskulpturen der Römer, wie sie ihm die Nägel durch Handgelenke und Knöchel hämmern, Marmordarstellungen Mariens mit dem toten, geschundenen Christus im Schoß, Bildteppiche vom Schandpfahl und der neunschwänzigen Katze in Aktion, auf denen Christus aus Hunderten von parallelen Striemen das Blut über den Rücken läuft.
    Die Nips, die sich noch in der Kirche befinden, verteidigen deren Haupttore mit der selbstmörderischen Entschlossenheit, die Shaftoe allmählich so öde findet, aber dank der Artillerie Des Generals gibt es mittlerweile neben den Türen noch andere Wege in das Gebäude. So kommt es, dass, noch während eine Kompanie amerikanischer Infanterie einen Frontalangriff auf das Portal inszeniert, Bobby Shaftoe und seine Huks, Goto Dengo, Der General und seine Adjutanten bereits in einer kleinen Kapelle in einem Gebäudeteil knien, der einmal Teil des Klosters war. Der Padre spricht ihnen ein paar stark gekürzte Dankgebete vor und tauft Goto Dengo mit Wasser aus einem Taufstein, wobei Bobby Shaftoe die Rolle des strahlenden Vaters übernimmt und General of the Army Douglas MacArthur als Pate dient. Shaftoe erinnert sich später nur noch an eine einzige Zeile der Zeremonie.
    »Widersagst du dem Blendwerk des Bösen und lässt dich nicht von ihm knechten?«, fragt der Padre.
    »Jawohl!«, antwortet MacArthur mit ungeheurer Autorität, während Bobby Shaftoe »Na klar doch!« murmelt. Goto Dengo nickt, wird nass und ist ein Christ.
    Bobby Shaftoe entschuldigt sich und macht einen Streifzug durch den Gebäudekomplex. Er kommt ihm ebenso groß und verrückt vor wie die Kasbah von Algier mit seinem düsteren und staubigen Innern, das angefüllt ist mit weiteren Darstellungen von La Pasyon, geschaffen von Künstlern, die Auspeitschungen offenbar aus erster Hand kannten und keinen Priester brauchten, der einen Sermon über das Blendwerk des Bösen von sich gab. Um der alten Zeiten willen geht er einmal die große Treppe hinauf und hinunter und erinnert sich dabei an die Nacht, in der Glory ihn

Weitere Kostenlose Bücher