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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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und Kinder, die mit angespitzten Bambusstäben auf Fußballplätzen gedrillt werden, wird es ewig dauern, das Land zu erobern – wahrscheinlich wird es so ungefähr 1955 werden, ehe er überhaupt entlassen werden kann. Der Krieg ist noch nicht vorbei, und solange er andauert, wird man ihn hier unten im KELLER brauchen, damit er weiter tut, was er gerade getan hat.
    Arethusa. Arethusa hat er noch immer nicht geknackt. Das nenne ich ein Kryptosystem!
    Er ist zu müde. Im Augenblick kann er Arethusa bestimmt nicht knacken.
    Im Grunde braucht er jemanden, mit dem er reden kann. Nicht über irgendetwas Bestimmtes. Aber es gibt auf dem ganzen Planeten nur ein halbes Dutzend Menschen, mit denen er wirklich reden kann, und von denen ist keiner auf den Philippinen. Zum Glück laufen über den Grund der Ozeane lange Kupferkabel, durch die der geographische Ort irrelevant wird, sofern man nur die richtige Sicherheitsstufe hat. Waterhouse hat sie. Er steht auf, verlässt den KELLER und geht mit seinem Freund Alan plaudern.

AKIHABARA
    Während Randys Flugzeug zum Landeanflug auf Narita ansetzt, verhüllt eine tief liegende Wolkenschicht die Landschaft wie ein Seidenschleier. Es muss Nippon sein: Die beiden einzigen Farben sind das Orange der Erdbewegungsmaschinen und das Grün der Erde, die noch nicht bewegt worden ist. Davon abgesehen gehört alles zur Grau-Skala: graue, von weißen Linien in Rechtecke unterteilte Parkplätze, belegt mit schwarzen, weißen oder grauen Autos, das Ganze in silbrigem Dunst verschwimmend, unter einem Himmel von der Farbe einer Flugzeug-Metalllegierung. Nippon ist beruhigend, ein gutes Ziel für einen Menschen, der soeben aus seiner Gefängniszelle geholt, vor einen Richter gezerrt, zusammengestaucht, zum Flughafen gefahren und aus der Philippinischen Republik ausgewiesen wurde.
    Die Japaner sehen amerikanischer aus als Amerikaner. Bürgerlicher Wohlstand schleift ab; der Geldfluss rundet und glättet einen Menschen wie Wasser die Kiesel eines Flussbetts. Ziel all dieser Menschen ist offenbar, anschmiegsam und unbedrohlich zu sein. Besonders die jungen Frauen sind unerträglich preziös, aber vielleicht kommt das Randy wegen der unheilvollen neurologischen Verknüpfung zwischen seinem Gehirn und seiner Prostata auch nur so vor. Die alten Leute tragen, anstatt wettergegerbt und Ehrfurcht gebietend auszusehen, in aller Regel Turnschuhe und Baseball-Kappen. Schwarzes Leder, Nieten und Handschellen als Accessoires sind die Kennzeichen der machtlosen Unterschicht, der Leute, die in der Regel im Knast von Manila landen, und nicht der Menschen, die die Welt beherrschen und alles zermalmen, was sich ihnen in den Weg stellt.
    »Die Türen schließen sich gleich.« »Der Bus fährt in fünf Minuten ab.« In Japan passiert nichts, ohne dass eine kesse, rauchige Frauenstimme einem die Chance gibt, sich zu wappnen. Man kann getrost sagen, dass das für die Philippinen nicht gilt. Randy überlegt, einen Bus in die Innenstadt von Tokio zu nehmen, bis er zur Besinnung kommt und sich klarmacht, dass er im Kopf die präzisen Koordinaten eines Stollens mit sich herumträgt, der wahrscheinlich nicht weniger als tausend Tonnen Gold enthält. Er winkt ein Taxi heran. Auf dem Weg in die Stadt kommt er an einem Unfall vorbei: Ein Tanklastwagen hat die weiße Linie überfahren und ist auf der Bankette umgekippt. Aber in Japan haben sogar Verkehrsunfälle die feierliche Präzision eines Shinto-Rituals. Polizisten mit weißen Handschuhen regeln den Verkehr, Rettungsarbeiter in Raumanzügen entsteigen makellosen Rettungsfahrzeugen. Das Taxi unterquert die Bucht von Tokio in einem Tunnel, der drei Jahrzehnte zuvor von Goto Engineering gebaut wurde.
    Randy landet in einem großen, alten Hotel, wobei »alt« bedeutet, dass der physische Bau in den Fünfzigern entstand, als die Amerikaner mit den Sowjets darum wetteiferten, aus den deprimierendsten industriellen Materialien die brutalistischsten Gebäude des Raumzeitalters zu bauen. So kann man sich denn auch unschwer vorstellen, wie Ike und Mamie in einem fünf Tonnen schweren Lincoln hier vorfahren. Aber der Laden ist öfter entkernt und renoviert worden, als viele Hotels ihre Teppiche dampfreinigen, und deshalb ist alles perfekt. Randy verspürt den starken Drang, wie ein Sack Scheiße im Bett zu liegen, aber er hat es satt, eingesperrt zu sein. Und es gibt viele Leute, mit denen er telefonieren könnte, aber was Telefongespräche angeht, ist er mittlerweile vollkommen

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