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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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paranoid. Er müsste alles, was er sagte, zensieren. Frei und offen zu reden ist ein Vergnügen, sich beim Reden in Acht zu nehmen ist Arbeit, und nach Arbeit ist Randy nicht zumute. Er ruft seine Eltern an, um ihnen zu sagen, dass alles in Ordnung ist, und er ruft Chester an, um sich zu bedanken.
    Dann geht er mit seinem Laptop nach unten und setzt sich mitten in die Eingangshalle, die nach Tokioter Maßstäben demonstrativ riesig ist; allein der Wert des Grundstücks unter der Eingangshalle übersteigt wahrscheinlich den von ganz Cape Cod. Hier kann niemand mit einer Van-Eck-Antenne in seine Nähe kommen, und selbst wenn, würde sie von den Computern am Empfang kräftig gestört. Er beginnt, Drinks zu bestellen, wechselt dabei zwischen brutal kaltem, hellem japanischen Bier und heißem Tee und schreibt ein Memo, in dem er mehr oder weniger erklärt, was er im zurückliegenden Monat geleistet hat. Er schreibt es sehr langsam, weil seine Hände mittlerweile vom Karpaltunnel-Syndrom praktisch gelähmt sind und ihm jede Bewegung, die auch nur entfernt dem Tippen ähnelt, starke Schmerzen bereitet. Schließlich schnorrt er vom Empfangschef einen Bleistift und drückt dann mit dessen Radiergummi nacheinander die Tasten. Das Memo beginnt mit dem Wort »karpal«, ein Code, auf den sie sich geeinigt haben, um zu erklären, warum der ihm folgende Text ungewöhnlich knapp ist und keinerlei Großbuchstaben enthält. Er hat es kaum getippt, als sich ihm ein überwältigend niedliches, flatteriges junges Ding in einem Kimono nähert und ihm sagt, im Business Center stehe ein Stab von Stenotypistinnen auf Abruf bereit, die ihm gerne helfen würden, falls er dies wünsche. Randy lehnt ab, so höflich er kann, was wahrscheinlich nicht höflich genug ist. Unter Verbeugungen und kaum hörbaren, abgehackten Hai- Lauten zieht sich das Kimono-Girl mit winzigen Trippelschritten zurück. Randy macht sich wieder mit dem Radiergummi an die Arbeit. Er erklärt so kurz und klar wie möglich, was er getan hat und was seiner Meinung nach mit General Wing und Enoch Root los ist. Die Frage, was zum Teufel eigentlich mit dem Dentisten Sache ist, überlässt er der Spekulation.
    Dann verschlüsselt er das Ganze und geht auf sein Zimmer, um es als E-Mail abzuschicken. Er kann sich nicht darüber beruhigen, wie sauber sein Quartier ist. Zum ersten Mal seit über einem Monat steigt ihm nicht der warme, feuchte Gestank von Klärgas in die Nase und brennt ihm nicht der Ammoniakgeruch von verdunstendem Urin in den Augen. Irgendwo in Japan steht ein Mann in einem sauberen weißen Overall in einem Raum und spritzt aus einer dicken, an einen Schlauch angeschlossenen Spritze frisch gehackte, mit Kunstharz versetzte Glasfaser auf eine geschwungene Form; von der Form gelöst, ergeben sich Badezimmer wie dieses hier: eine einzige topologische Oberfläche, an höchstens zwei bis drei Stellen von Abflüssen und Düsen durchstoßen. Während Randy sein Memo abschickt, lässt er heißes Wasser in die größte und glatteste Vertiefung in der Badezimmer-Oberfläche einlaufen. Dann zieht er sich aus und klettert hinein. Er nimmt eigentlich niemals Bäder, doch angesichts der Fauligkeit, die sich mittlerweile in seinem Fleisch festgesetzt zu haben scheint, und des pochenden Hunk of Burning Love könnte es keinen besseren Zeitpunkt dafür geben.
    Die letzten paar Tage waren die schlimmsten. Als Randy mit seinem Projekt fertig war und die getürkten Ergebnisse auf dem Bildschirm darstellte, rechnete er damit, dass die Zellentür umgehend aufspringen würde. Dass er auf die Straßen von Manila hinausspazieren und dass als kleiner Sonderbonus vielleicht sogar Amy auf ihn warten würde. Stattdessen tat sich einen ganzen Tag lang überhaupt nichts und dann kam Rechtsanwalt Alejandro, um ihm zu sagen, dass vielleicht ein Deal möglich sei, dass er jedoch einiges an Arbeit erfordere. Und dann stellte sich heraus, dass der Deal eigentlich ein ziemlich schlechter war: Randy würde nicht im eigentlichen Sinne entlastet werden. Man würde ihn unter der Auflage, nicht wiederzukommen, des Landes verweisen. Rechtsanwalt Alejandro behauptete erst gar nicht, dies sei ein besonders guter Deal, aber irgendetwas an seinem Verhalten machte deutlich, dass es keinen Sinn hatte, sich darüber aufzuregen; die Entscheidung war auf Ebenen getroffen worden, die nicht zugänglich waren.
    Um das Hunk of Burning Love- Problem könnte er sich nun, da er eine Privatsphäre hat, ohne weiteres kümmern,

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