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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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jungen Leute wie Idioten und Leichtgewichte vor. Der einzige Mensch, dessen Nähe er ertragen kann, ist sein Urgroßvater Shaftoe, vierundneunzig Jahre alt und schwer auf Zack, der in Petersburg dabei war, als Burnside mit vergrabenem Sprengstoff ein riesiges Loch in die Linien der Konföderierten sprengte und seine Männer in den Krater stürmen ließ, wo sie geschlachtet wurden. Natürlich redet er nie darüber, so wie Bobby Shaftoe niemals von der Echse redet.
    Bald genug ist seine Zeit vorüber, und dann bekommt er in Milwaukee einen Riesenbahnhof, umarmt Mom, umarmt seine Schwester, drückt Dad und den Brüdern die Hand, umarmt noch einmal Mom und fährt ab.
    Bobby Shaftoe weiß nichts von seiner Zukunft. Er weiß nur, man hat ihn zum Sergeant befördert, von seiner früheren Einheit abkommandiert (keine große Veränderung, da er der einzige Überlebende seines Zuges ist) und irgendeiner neuen Truppengattung des Corps in Washington, D.C., zugeteilt, von der kein Mensch je gehört hat.
    In D.C. ist viel los, aber als Bobby das letzte Mal in der Zeitung nachgesehen hat, fanden dort noch keine Kämpfe statt, deshalb liegt es auf der Hand, dass er nicht zur Kampftruppe kommt. Er hat das Seine ohnehin getan, viel mehr als seinen Anteil Nips getötet, seine Orden errungen, an seinen Wunden gelitten. Da es ihm an einer verwaltungstechnischen Ausbildung fehlt, rechnet er damit, dass seine neue Aufgabe darin bestehen wird, als Kriegsheld durchs Land zu reisen, die Moral zu heben und junge Männer dazu zu überreden, in das Corps einzutreten.
    Er meldet sich gemäß Befehl bei den Marine Barracks,Washington, D.C. Es ist der älteste Standort des Corps, ein Häuserblock auf halbem Weg zwischen dem Kapitol und dem Navy Yard, ein von grünen Gebäuden umschlossenes Viereck, in dem die Marine Band marschiert und die Ausbilder ausbilden. Er rechnet halb damit, ganz in der Nähe riesige Tanks mit strategischen Reserven von Spucke und Schuhwichse zu sehen.
    Auf der Schreibstube erwarten ihn zwei Marines: ein Major, der nominell sein neuer befehlshabender Offizier ist, und ein Colonel, der aussieht und sich verhält, als wäre er hier geboren. Es ist über alle Maßen entsetzlich, dass sich zwei solche Persönlichkeiten hier eingefunden haben, um einen bloßen Sergeant zu begrüßen. Muss das Navy Cross sein, das ihre Aufmerksamkeit erregt hat. Aber diesen Orden haben sie selbst – und zwar jeder zwei oder drei.
    Der Major stellt den Colonel auf eine Weise vor, die Shaftoe im Grunde überhaupt nichts erklärt. Der Colonel sagt so gut wie gar nichts; er ist zum Beobachten da. Der Major befingert eine Zeit lang ein paar getippte Unterlagen.
    »Hier steht, Sie sind gung-ho.«
    »Sir, jawohl, Sir!«
    »Was zum Teufel heißt denn das?«
    »Sir, das ist ein chinesisches Wort! Es gibt dort einen Kommunisten namens Mao, und der hat eine Armee. Wir sind mehr als einmal mit ihr aneinander geraten, Sir. Gung-ho ist ihr Schlachtruf, er bedeutet ›alle zusammen‹ oder so etwas, und wie wir damit fertig waren, ihnen die Hucke voll zu hauen, Sir, haben wir ihn ihnen geklaut, Sir!«
    »Wollen Sie damit sagen, Sie haben zu viel Asien abgekriegt, wie diese anderen China-Marines, Shaftoe?«
    »Sir! Im Gegenteil, Sir, ich glaube, das geht auch aus meiner Akte hervor!«
    »Glauben Sie das wirklich?« fragt der Major ungläubig. »Wir haben hier einen interessanten Bericht über ein Filminterview, das Sie mit irgendeinem Soldaten 6 namens Lieutenant Reagan gemacht haben.«
    »Sir! Sergeant Shaftoe entschuldigt sich in aller Form für sein schändliches Verhalten während dieses Interviews, Sir! Sergeant Shaftoe hat sich selbst und seine Kameraden enttäuscht, Sir!«
    »Wollen Sie sich nicht rechtfertigen? Sie waren verwundet. Standen unter Beschießungsschock. Unter Medikamenten. Haben an Malaria gelitten.«
    »Sir! Es gibt keine Rechtfertigung, Sir!«
    Der Major und der Colonel nicken einander beifällig zu.
    Dieses »Sir, jawohl, Sir«-Getue, das wahrscheinlich jedem geistig gesunden Zivilisten vollkommen blödsinnig vorkäme, ist für Shaftoe und die Offiziere auf eine tiefgründige, wichtige Weise sinnvoll.Wie viele andere hatte auch Shaftoe zunächst Probleme mit der militärischen Etikette. Aufgrund seiner Kindheit in einer militärorientierten Familie hat er eine ganze Menge davon in sich aufgenommen, aber danach zu leben war etwas ganz anderes. Mittlerweile hat er sämtliche Phasen der militärischen Existenz bis auf die letzten

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