Cryptonomicon
brachte Männer wie zum Beispiel Codeknacker fort, die unter keinen Umständen in Gefangenschaft geraten durften. Sie hatten aber nicht genug Unterseeboote, um das ganze Silber fortzuschaffen. MacArthur ging im März. Sie fingen an, mitten in der Nacht das in Kisten gepackte Silber abzuholen und ins Wasser zu werfen.«
»Sie wollen mich wohl verarschen?«
»Sie konnten ja später jederzeit zurückkommen und versuchen, es wieder raufzuholen«, entgegnet Amy. »Lieber alles verlieren als es den Japanern zu überlassen, oder?«
»Vermutlich schon.«
»Die Japaner holten eine Menge von diesem Silber wieder rauf – auf Bataan und Corregidor nahmen sie etliche amerikanische Taucher gefangen und ließen sie genau hier, wo wir gerade sind, runtergehen und es raufholen. Diesen Tauchern gelang es jedoch, viel von dem Silber vor ihren Bewachern zu verstecken und es Filipinos zukommen zu lassen, die es nach Manila hineinschmuggelten, wo es so in Umlauf kam, dass es die japanische Besatzungswährung völlig entwertete.«
»Und was sehen wir jetzt hier?«
»Die Überreste alter Kisten, die beim Aufprall auf dem Meeresboden auseinander gebrochen sind«, antwortet Amy.
»War bei Kriegsende von diesem Silber noch irgendetwas übrig?«
»Ja sicher«, sagt Amy forsch. »Das meiste wurde hier versenkt und diese Taucher haben es raufgeholt, aber manches wurde auch an anderen Stellen versenkt. Mein Vater hat noch in den Siebzigern einen Teil davon geborgen.«
»Wow! Aber das ergibt doch keinen Sinn!«
»Warum nicht?«
»Ich kann einfach nicht glauben, dass dreißig Jahre lang haufenweise Silber zur freien Verfügung auf dem Grund des Ozeans lag.«
»Sie kennen die Philippinen nicht«, sagt Amy.
»Ich weiß, dass sie ein armes Land sind. Warum kommt nicht jemand her und holt das Silber rauf?«
»Die meisten Schatzsucher in diesem Teil der Welt halten nach viel größerer Beute Ausschau«, erklärt Amy, »oder nach leichterer.«
Randy ist baff. »Ein Haufen Silber auf dem Grund der Bucht erscheint mir groß und leicht.«
»Ist er aber nicht. Silber ist nicht so viel wert. Eine gründlich gesäuberte Vase aus der Sung-Dynastie kann mehr einbringen als ihr Gewicht in Gold. Gold. Und es ist einfacher, die Vase zu finden – man braucht nur den Meeresboden nach etwas Dschunkenförmigem abzusuchen. Eine gesunkene Dschunke erzeugt auf dem Echolot ein deutliches Bild. Dagegen sieht eine alte zerbrochene Kiste, die mit Korallen und Krebsen überzogen ist, eher wie ein Felsen aus.«
Als sie sich Corregidor nähern, erkennt Randy, dass der Schwanz der Insel höckrig ist und hier und da große Steinhaufen aus ihm hervortreten. Vom fruchtbaren Zentrum der Insel bis zur Schwanzspitze, wo der Boden trockener wird, geht die Farbe der Landschaft allmählich von dunklem Dschungelgrün über Hellgrün zu einem verdorrten Rotbraun über. Randy starrt gebannt auf eine dieser Felsspitzen, die von einem neuen Stahlturm gekrönt ist. Ganz oben auf dem Turm erkennt er eine Mikrowellentrichterantenne, die nach Osten ausgerichtet ist, zum Epiphytegebäude in Intramuros.
»Sehen Sie diese Höhlen entlang der Wasserlinie?«, fragt Amy. Anscheinend bedauert sie, den versunkenen Schatz überhaupt erwähnt zu haben, und möchte jetzt das Thema wechseln.
Randy reißt sich vom Anblick der Mikrowellenantenne, deren Mitbesitzer er ist, los und schaut in die Richtung, in die Amy zeigt. Die Kalksteinflanke der Insel, die auf den letzten Metern senkrecht ins Wasser abfällt, ist völlig durchlöchert.
»Ja.«
»Von den Amerikanern gebohrt, um Geschütze zur Küstenverteidigung aufzunehmen. Von den Japanern erweitert, um als Liegeplätze für deren Selbstmordboote zu dienen.«
»Wow.«
Randy bemerkt ein tiefes gurgelndes Geräusch, und als er den Blick zu ihm hinwendet, sieht er, dass ein Boot sich ihnen angeschlossen hat. Es ist ein kanuförmiges, vielleicht zwölf Meter langes Ding mit langen Auslegern auf beiden Seiten. Von einem kurzen Mast wehen ein paar zerlumpte Flaggen, und an verschiedenen, hier und da gespannten Leinen flattert fröhlich helle Wäsche. Ein großer Dieselmotor steht ohne Abdeckung in der Mitte des Bootsrumpfes und stößt schwarzen Rauch in die Atmosphäre. Vorne sitzen einige Filipinos, darunter auch Frauen und Kinder, im Schatten einer hellblauen Plane beim Essen zusammen. Achtern fummeln ein paar Männer an Taucherausrüstungen herum. Einer von ihnen hält sich etwas an den Mund: ein Mikrophon. Aus dem Funkempfänger der Glory
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