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Crystall (German Edition)

Crystall (German Edition)

Titel: Crystall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Mahler
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belebten Stadt, selbst im letzten Wald auf Erden hätte es nächtliche Geräusche gegeben. Sie hatte sich erschrocken, nicht mehr und nicht weniger.
    Zumindest hoffte sie das.
    Andererseits würde sie ohnehin nicht so schnell neuen Schlaf finden. Mandy stand auf und schlich leise zum Fenster. Einen Augenblick kam sie sich vor wie ein Einbrecher, der keinen Laut abgeben durfte. Natürlich war auch dieser Gedanke überflüssig.
    Das Fenster – oder genauer gesagt, ein quadratisches Loch in der Wand – offenbarte ihr nichts als Schwärze und in Dunkel gekleidete Häuser.
    Was war das für ein Geräusch gewesen? Gab es überhaupt eines?
    Mandy sah in jeden Winkel, den sie in der Sichtbeschränkung erfassen konnte. Beinahe, als ihr Rundblick beendet war, glaubte sie einen Schatten zu sehen, allerdings nur aus den Augenwinkeln. Es war eine Bewegung von jener Art, die immer wieder verschwand, wenn man sie genau taxieren wollte.
    Aber da war ein Schatten!
    Mandy war sich der Tatsache bewusst, dass sie sich selbst verrückt machte, dennoch hatte sie einen Moment das Bild einer grinsenden Teufelsfratze vor Augen.
    Fantasie!
    Auch dieser Gedanke konnte das Gefühl nicht beseitigen, dass sie gelockt werden sollte. Ihr Instinkt schrie und rebellierte, dass sie schreien sollte, aus der Stadt rennen oder einfach einschlafen.
    Natürlich tat sie es nicht. Manchmal verfluchte Mandy diese lästige, menschliche Neugier. Das schlimmste war ja, dass sie wusste, in welches Risiko sie geraten würde und welch ein schlechter Ratgeber ihr Gefühl war. Sie konnte nichts dagegen unternehmen, so wenig wie fast alle Menschen vor ihr. Sie musste herausfinden, was da draußen auf sie lauerte. Was auch immer es sein mochte, es wollte, dass sie diesem Etwas folgte.
    Mandy schlich nahezu behutsam durch die Kammer, zum Trotz ihrer inneren, aufgewühlten Gedanken und Gefühle. Eigentlich hätte sie längst in Panik ausbrechen sollen. Sie kämpfte ihre Emotionen tapfer nieder, auch wenn sie ahnte, dass es ein Fehler sein mochte. Mit klopfendem Herzen, dennoch angespannten Sinnen trat sie entgültig aus dem Zimmer und schließlich durch den Wirtsraum gänzlich aus der Taverne. Erst davor und gepackt von beängstigender Finsternis blieb sie stehen und versuchte ihre Gedanken zu ordnen.
    Ruhe bewahren. Sie brauchte einen Plan!
    Schon nach wenigen Sekunden gab sie diese Mühe seufzend auf. Sie wusste nicht einmal, was sie hier wirklich tat, geschweige denn suchte. Nein, ein Plan wäre sinnlos gewesen. Sie würde sich dem Unbekannten entgegenstürzen und notfalls improvisieren.
    Ein leichter Anflug von Zorn machte sich in ihr breit, eine stille Wut auf ihre beiden Freunde, die jetzt da oben seelenruhig schliefen, statt ihr beizustehen. Sie schämte sich ihrer Gedanken und versuchte vergeblich, den Zorn als etwas anderes auszumachen. Sie konnte nichts dagegen tun.
    Willkürlich lief sie los. Der Schatten hatte sich bisher kein weiteres Mal offenbart oder auch nur eine Spur hinterlassen. Also für jemanden, der wollte, dass sie ihm folgte, war dieses Fremde ziemlich unsichtbar.
    Eine Falle?
    Mandy schnitt eine verbitterte Grimasse. Wenn ja, dann war sie darin wahrscheinlich ohnehin gefangen. Aber ehrlich gesagt, sie glaubte nicht daran. Sie atmete tief durch und setzte ihren Weg unbekümmert fort. Sie blieb wie schon vergangene Nacht auf dem Hauptweg, der sie direkt zurück in das Gasthaus bringen würde. Sie weigerte sich, auch nur in die angrenzenden Gassen hinein zu blicken.
    Ihr fröstelte.
    Einen Moment versuchte Mandy, die Ursache dafür zu ermitteln. Sie redete sich verbissen ein, dass es von der nächtlichen Kälte kam. Demonstrativ zog sie ihre Kleidung enger um den Körper und presste ihre Arme zusätzlich darum. Das Zittern verging nicht, ihr wurde erbärmlich kalt. Sie konnte die Rauchwolken vor ihren Lippen deutlich beobachten. Und umso mehr sie an das Frieren dachte, desto schlimmer wurde es. Sie versuchte sogar, ihre Schritte zu beschleunigen, es half nicht viel, denn inmitten dieser Kälte spürte sie ein Zittern der Angst wegen, so oft sie es auch leugnen mochte.
    Irgendwann blieb Mandy einen Augenblick stehen und sah sich unschlüssig um. Sie stand jetzt an der Stelle, an der sie letzte Nacht gewesen war. Von hier aus hatte sie eine Gasse genommen und war auf die seltsame Zeremonie gestoßen. Sollte sie noch einmal dorthin?
    Mandy biss sich auf die Unterlippe und ließ ihre Hüften nervös umherschwanken. Es war gut vorstellbar, dass sie

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