Crystall (German Edition)
überhaupt von Sators Schatz? Mandy brummte einen Fluch vor sich hin, wahrscheinlich war Nirrka doch zu unvorsichtig gewesen. Trotzdem blieb es ihr ein Rätsel. Diese Leute hier waren genauso in Gefahr, wie jeder andere in dieser Welt. Sie brauchten sie, denn Mandy war wohl oder übel die einzige, die das Kristallrelikt zurück holen konnte. Warum kämpften sie dann gegen das Gute? So sehr sie auch darüber nachdachte, sie begriff dieses Verhalten nicht. Sie suchte vergebens nach einer Spur von Zorn in ihrer Brust, fand aber lediglich Enttäuschung, Verbitterung über die Entscheidung dieser Bewohner. Sie hätte Nadju eindeutig für intelligenter gehalten.
Mandy seufzte im Stillen. Sie erinnerte sich fast überdeutlich an Sators Worte. Es ist gar nicht undenkbar, dass es auch unter den Guten zu Streitigkeiten kommen würde. Der Lohn ist groß, auch deine Seelenheiliger sind nicht frei von Versuchung. Ich glaube, du weißt gar nicht so recht, auf was für eine schwere Aufgabe du dich eingelassen hast. Das Schlimme war, dass sie allmählich begriff, welche Wahrheit hinter Sators Worten steckte. Vielleicht war er sogar der einzige, der ehrlich und aufrichtig war. Sie hatte es nicht wahrhaben wollen. Und wenn schon, nur eine Welt stand auf dem Spiel, Macht war ja so viel wichtiger. Mandy lächelte mit so viel Spott, wie es ihr möglich war. Natürlich würden auch die sogenannten Guten der Versuchung nicht widerstehen. Hier war der Beweis.
Mandy kämpfte ihren Ärger nieder, so gut es ging. Sie musste schleunigst aufbrechen und ihre Freunde warnen. Wenn der Kristall weg war, dann blieb ihnen vermutlich nicht mehr genügend Zeit, ihn erst wieder zu jagen. Nein, sie musste jetzt, auf der Stelle, handeln. Wenn sie eine Chance haben wollten, dann würden sie noch heute Nacht verschwinden müssen, und zwar schleunigst.
Hastig sah sich das Mädchen um. Sie sollte die Nerven behalten, denn für eine überstürzte Flucht war sie zu nahe an den Versammelten. Sie konnte deren Gegenwart regelrecht fühlen. Sie hätte nur ihren Arm auszustrecken brauchen, um sie berühren zu können. Verstört starrte sie auf den Platz, immer mit der Angst im Nacken, man könne sie entdecken. Sie war der Panik nahe.
Mandy wollte eine Flucht wagen, doch sie stellte sich ungemein tölpelhaft an. Sie stieß beim Herumfahren mit dem Ellenbogen gegen das Holzgeländer – verdammt, warum Holz, sonst bestand doch auch alles aus Stein? – und brachte es zum Vibrieren. Wäre in diesem Moment ein Helikopter gelandet, dann hätte man es vermutlich überhört, so aber schallte der Aufprall über den ganzen Marktplatz.
Mandy fuhr wie elektrisiert zusammen und ließ sich auf den Hintern fallen. Mit angehaltenem Atem sah sie in die Massen. Fast schien es, als wären die Leute hier taub, doch der Mann, der ihr am nächsten war, hielt in seinen Bewegungen inne und reckte das Ohr nach oben, als müsse er lauschen. Wie ein Dämon aus einem Horrorfilm fuhr er herum, unheimlich langsam und in grotesker Haltung. Es vergingen Sekunden, in denen Mandys Herz raste wie verrückt. Dann starrte sie direkt in zwei rotglühende Augen.
Das Ende!
Mandy keuchte und unterdrückte nur mit Mühe einen Aufschrei, um schlimmeres zu vermeiden. Aber natürlich drehte sich der Mann nicht einfach wieder um und tat so, als wäre nichts geschehen. Doch er rief auch nicht. In einer fahrigen Bewegung streckte er den Arm aus und deutete auf Mandy. Sein Gesicht blieb dabei regungslos.
Als wäre seine Geste Wort genug, drehten sich nun auch alle anderen zu ihr um. Der Geist war verschwunden.
Wie von einer Sprungfeder getroffen jagte Mandy in die Höhe. Das einzig Richtige wäre gewesen, auf dem schnellsten Wege abzuhauen. Aber sie war keine Filmheldin, sondern ein Mädchen, die schon erstaunt war, überhaupt so weit gekommen zu sein. Wie jeder natürliche Mensch auch blieb sie stehen und starrte angsterfüllt in die tot wirkenden Augen der anderen. Ihr Puls raste, der Atem schien still zu stehen und ihre Hände zitterten erbärmlich. Zu gerne hätte sie sich jetzt einen Plan zurecht gelegt, doch ihre Gedanken waren wie blockiert.
Wie eine Ansammlung von Zombies standen die Bewohner zu ihr gewandt da und starrten sie an. Ihre Augen glühten und bargen keinerlei Emotionen. Auch Worte entrannen ihnen nicht. Langsam, fast qualvoll gemächlich schlichen sie auf das Mädchen zu, als wären sie tonnenschwere Figuren, die man nur mit Mühe vorwärts schieben konnte. Sie wirkten nicht mehr
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