Crystall (German Edition)
das Biest hier, versetzte man sie nicht schon genug in Schrecken?
Als hätte das Tier ihre Gedanken erraten, entfernte es sich plötzlich. Der pendelnde Schwanz des Hundes entfernte sich nach links, sozusagen auf einer anderen Straße zurück zu den Zombies.
Sie wusste nicht, was sie am Ende rettete. War es ein ruckartig aufkeimender Mut, in dem sie klar denken konnte, oder nur die größere Angst vor einem größeren Übel? Wie auch immer, bevor sich der Dunst manifestieren konnte, rannte sie dem Hund nach, obwohl ihre Furcht nicht viel geringer war. Aber immerhin genügend, um sie vorwärts zu treiben. Unbeschadet gelangte sie auf eine breite Kopfsteinstraße, die in zwei entgegengesetzte Richtungen verlief. Sie warf den Kopf hin und her und sah den Hund in ihrer Hektik erst beim vierten Mal. Das Tier blickte ihr entgegen, senkte dann den weit gehobenen Schädel wieder und verschwand spurlos in der Dunkelheit.
Gerade, als sie sich Gedanken über den geheimnisvollen Hund machen wollte, wusste sie, dass er sie – ob gewollt oder unbeabsichtigt, Mandy hatte keinen Schimmer – abermals gerettet hatte, oder ihr zumindest eine Chance verschaffte. Nur wenige Schritte die Hauptstraße entlang sah sie das Schild. Ihr Gasthaus!
Wieder rannte Mandy los, ohne sich dabei noch einmal umzublicken. Haltlos jagte sie über das schallende Kopfsteinpflaster, rannte rücksichtslos die Tür zur Taverne ein und gelangte stolpernd in den dahinter liegenden Gastraum. Sie fing sich an einem der Tische, der schabend und quietschend über den Boden schrammte und genügend Lärm bot, um ein schlafendes Nashorn zu wecken. Sich keiner Schuld bewusst, stürmte Mandy um den Tisch herum und auf die Steintreppe zu. Flüchtig bemerkte sie, dass der Wirt abermals über die Theke gebeugt eingeschlafen war. Er schnarchte und schien ihren Krawall nicht zu hören. Wäre die Lage nicht so ernst, hätte sie darüber vielleicht gelacht. So aber nahm sie gleich zwei Stufen auf einmal, ohne sich darüber Sorgen zu machen, dass sie mehr als nur einmal fast gestolpert wäre. Trotzdem spornte sie sich zu noch größerem Tempo an, hatte aber irgendwie das absurde Gefühl, ungemein länger zu brauchen, als wenn sie normal gegangen wäre.
Keuchend ließ sie den folgenden, schmalen Gang hinter sich und warf sich im selben Schwung gegen die Tür. Der Flügel wirbelte nach innen und knallend gegen die Wand.
Also, wenn es einen Preis dafür gäbe, wer es am besten schaffte, andere zu wecken, dann würde sie ihn zweifelsohne bekommen.
Wie angewurzelt blieb Mandy inmitten der Kammer stehen, was angesichts ihres Ansturmes alles andere als leicht war. Dennoch überblickte sie rasch die Lage, worüber sie selbst am meisten erstaunt war. Nirrka und der Troll räkelten sich im Schlaf, ihr Hereinplatzen konnte nicht gänzlich ohne Wirkung gewesen sein. Beide gähnten sie und bemühten sich, aus einem tiefen Schlaf ins Bewusstsein zurück zu finden.
Viel zu langsam. Mandy sah erschrocken mit an, wie schwarzer Rauch durch das Fenster drang und sich vor Nirrka verformte. Diesmal ging die Zeremonie schneller vonstatten als noch vorhin. Schon nach wenigen Sekunden war die Gestalt des Dämons erkennbar. Er war nicht körperlich wie bei der Beschwörung, sondern bestand nur aus durchsichtig scheinendem Rauch. Aber er war zu erkennen und er konnte handeln. Dieses Wesen aus den tiefsten Kratern der Hölle streckte die Hand aus und griff nach Nirrkas Lederbehälter. Er ließ die Hand darüber in der Schwebe und wie von Geisterhand öffnete sich der Beutel und Sators Kristall flog von unsichtbarer Hand getragen heraus, direkt auf die rauchigen Finger des Wesens zu.
„Nein!“ Mandy schrie verzweifelt, als sie erkannte, was der Fremde beabsichtigte. Ohne nachzudenken warf sie sich auf den Dämon, dabei hatte sie vergessen, dass er diesmal nicht aus fester Materie bestand. Sie flog durch seinen Körper wie durch Nebel und prallte gegen den Tisch. Leider Gottes war der nichts als morsches Holz. Er ging berstend und krachend in Brüche, Mandy flog inmitten des Chaos aus Splittern und Holzleisten.
Aber der Lärm riss ihre beiden Freunde entgültig in die Höhe. Und das war von größter Bedeutung, wie Mandy erleichtert feststellte. Scheinbar wollte das Wesen, abgesehen von ihr natürlich, nicht gesehen werden. Der Rauch verzog sich blitzschnell, als wäre er nie da gewesen. Der Kristall fiel zurück in Nirrkas Tasche.
Mandy atmete hörbar durch.
Nirrka blinzelte den Schlaf aus
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